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Sport: Tausche Ruhm gegen Freiheit

Wer heute von der Fifa mit der WM-Ausrichtung betraut wird, zahlt womöglich einen hohen Preis

Berlin - Das Ansehen der Fifa in Holland hat in diesem Sommer ernsten Schaden genommen. Auslöser waren ein paar blonde Frauen in knappen Röcken, die sogenannten Bavaria-Babes. Sie hatten sich in Südafrika das WM-Spiel zwischen Holland und Dänemark angesehen, und für zwei von ihnen endete der Stadionbesuch in der Zelle eines südafrikanischen Gefängnisses. Ihr Vergehen: ein Verstoß gegen die Fifa-Marketingregeln. Mit ihren orangefarbenen Röcken hatten sie auf geradezu hinterhältige Weise für eine holländische Brauerei geworben, die nicht zu den Sponsoren des Fußball-Weltverbandes zählt. Und bei solchen Aktionen versteht die Fifa keinen Spaß.

So wie die Holländer keinen Spaß verstehen, wenn ihre Freiheitsrechte eingeschränkt werden. Die Fußballzeitschrift „Voetbal International“ wetterte schon im Sommer gegen den Weltverband und seine „diktatorischen Marketingregeln“, geißelte zudem die „schamlose Habgier“ des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter: „Er bestimmt die Regeln, und die Regeln sind immer zu seinen Gunsten.” Das ist insofern bemerkenswert, als die Niederlande (gemeinsam mit Belgien) im Sommer 2018 die WM ausrichten will und sich damit dem Fifa-Regime unterwerfen müsste. Doch der Gedanke, dass ihr Land zu Fifanien werden könnte, bereitet den Holländern zunehmend Sorge. „Wenn die Niederlande die WM bekommen, wird das Kabinett im Sommer 2018 vier Wochen vor König Fußball niederknien müssen”, schrieb die „Volkskrant“.

Dennoch ist die Sehnsucht groß, die besten Fußballländer der Welt für das beliebteste Turnier der Welt zu empfangen. Und nicht nur die Holländer warten heute darauf, dass ihr Name aus dem Umschlag gezogen wird, wenn Joseph Blatter die Ausrichter der WM 2018 und 2022 verkündet. Weil die Fifa erstmals zwei Ausrichter an einem Tag bestimmt, ist die Vergabe ein wirklich globales Ereignis. Blatter hat daher schon angekündigt: „Der 2. Dezember wird ein großer Tag für den Fußball und für die internationale Politik.”

Genau das ist jedoch ein Problem. Dass es eben eher eine politische Entscheidung sein könnte als eine sportliche. Um die WM 2018 hat sich neben England, Holland/Belgien und Spanien/Portugal auch Russland beworben. Im Evaluierungsbericht der Fifa kommt Russland nicht sonderlich gut weg. Von allen Bewerbern um 2018 und 2022 bestehe einzig in Russland ein hohes Risiko beim Verkehrskonzept. Aufgrund seiner Größe benötige Russland für eine WM zuverlässige Flugverbindungen. Die gebe es aber derzeit nicht. Weil 13 der geplanten 16 Stadien neu gebaut werden müssen, sieht das Konzept der Russen hier Investitionen von 3,8 Milliarden Dollar vor. Dass Neubauten bei einer Vergabe für den internationalen Sport auch ein Anreiz sehen können, hat der Zuschlag für Sotschi als Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2014 aber ebenso gezeigt wie den entscheidenden Einfluss des russischen Premierministers Putin. Es gewinnt eben nicht immer das beste Konzept.

Holländer und Belgier sind trotzdem noch überzeugt, dass sie bei der Vergabe nicht ohne Chance sind. Sie werben mit einer WM der kurzen Wege, einem „World Coaches”-Programm mit 2000 Trainern, die auf der ganzen Welt eingesetzt werden, und der Idee eines grünen Turniers. Die Fifa aber lässt sich von solchen weichen Faktoren nur bedingt beeindrucken. Für sie zählt eher die harte Währung. Die Bewerbung ist in der Evaluierung daher auch nicht allzu gut weggekommen. Es fehle an Hotelbetten, zudem hegt der Weltverband seit der WM 2002 in Japan und Südkorea generelle Zweifel an einer Doppelausrichtung; viel entscheidender aber ist die trotzige Haltung der beiden liberal gesinnten Länder, die sich schwertun, den absolutistischen Machtanspruch des Fußball-Weltverbandes zu akzeptieren.

Die Fifa verlangt unter anderem einen weitgehenden Schutz für ihre Werbepartner, Immunität für ihre Mitglieder, eine eigene Fahrspur zwischen den Spielstätten und eine Steuerbefreiung für die Einnahmen während des Turniers. So steht es im Standardvertrag, den alle Bewerber unterschreiben müssen. Der Verband hat die holländisch-belgische Bewerbung im September nachdrücklich auf die Konsequenzen hingewiesen, sollte der Vertrag in irgendeiner Weise verändert werden, worauf die Sportministerin Edith Schippers geantwortet hat, dass die holländische Haltung nichts mit einem Unwillen zu tun habe, die Vorgaben der Fifa zu erfüllen, sondern der Tatsache geschuldet sei, „dass die Regierung unausweichlich an ihre eigenen (konstitutionellen) Regeln gebunden ist”.

Demokratische Grundregeln sind bei einer Bewerbung jedoch nicht immer förderlich. Englands Chancen für 2018 dürften durch die Arbeit von britischen Journalisten nicht gerade gestiegen sein. Die Fifa muss sich durch Berichte der BBC gegen Korruptionsvorwürfe wehren (siehe nebenstehenden Text). Versöhnen könnte die Fifa da wohl nur der Umstand, dass England im Fußball den größten Sponsorenmarkt der Welt besitzt.

Für 2022 kann die Fifa zwischen der bisher kleinsten Bewerbung entscheiden und der wohl größten, Katar und die USA stehen zur Wahl, außerdem als interessanter Kandidat Australien und die wohl aussichtslosen Länder Südkorea und Japan. Die USA bewerben sich mit 18 Stadien, die schon alle stehen, weil in ihnen Football gespielt wird. Dort könnten auch die meisten Zuschauer Platz finden. Fast fünf Millionen Tickets wollen die Amerikaner verkaufen, in Katar wären es nicht einmal drei Millionen. Katar ist kleiner als Schleswig-Holstein und bietet daher statt der traditionellen weit voneinander entfernten Teamquartiere Teamdörfer an. Das klingt ein bisschen nach Olympia. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, hat Katar keine Chance, denn der Evaluierungsbericht warnt vor gesundheitlichen Risiken durch die enorme Hitze. In den Sommermonaten kann es bis zu 50 Grad heiß werden. Die Stadien wollen die Kataris dafür überdachen und klimatisieren, doch vor kollabierenden Fans wäre diese WM nicht sicher.

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