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Titelverteidiger USA. holte den entscheidenden neunten Punkt.

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Update

Team USA gewinnt America's Cup: Das größte Comeback der Segelgeschichte

Team USA wandelt vor San Francisco einen 1:8-Rückstand in einen sensationellen 9:8-Erfolg und gewinnt in einem dramatischen Finale erneut den America’s Cup.

Er war so nah dran. Sooo nahe. Einen letzten Punkt brauchte Dean Barker noch, um den America's Cup nach Neuseeland zu entführen. Nur ein einziges verdammtes Rennen, das er hätte gewinnen müssen. Doch auch die achte Gelegenheit, die sich ihm bot, konnte er nicht nutzen. In einem dramatischen Finale unterlag das neuseeländische, von Barker angeführte Herausfordererteam dem Titelverteidiger USA. Der holte den entscheidenden neunten Punkt. Der America's Cup bleibt in den USA..

Acht vergebene Matchbälle, das wiegt schwer. Dean Barker, der sympathische Modellathlet aus Auckland, hat es nicht geschafft, den Fluch abzustreifen, der seine America’s-Cup-Karriere begleitet. Er war es, der die Silberkanne aus Neuseeland weggegeben hat, der sie verlor an seinen Landsmann und früheren Mentor Roussell Coutts, damals in den Diensten der Schweiz. Zwei weitere Male stand Barker im Finale, jedesmal wurde er geschlagen.

Während dem einen nun doch wieder misslungen ist, die Krone des Segelsports nach Neuseeland zurückzuholen und die alte Rechnung mit seinem Land zu begleichen, das sich als Seegelnation betrachtet, gelingt dem anderen alles. Jimmy Spithill, Barkers Kontrahent und der Steuermann des amerikanischen Superkatamarans, hat das Unmögliche geschafft. Acht Mal hintereinander hat er gewonnen. Hat eine Aufholjagd hinbekommen, wie es sie im Segelsport selten und in der Geschichte des America’s Cup noch nie gegeben hat. Spithills anfänglich beinahe verspottete Zuversicht („We can win races“) hat die Entscheidung im letzten möglichen Rennen erzwungen. Nicht mal 1983, als die Australier mit zwei Rennen zunächst in Rückstand gerieten, sich dann aber berappelten und 4:3 gewannen, war der Ausgang vor dem letzten Rennen so ungewiss – und so folgenreich.

Jimmy Spithill war vier Jahre alt, als einer seiner Nachbarn den Cup an Bord der „Australia II“ eroberte. Er schmiss für alle eine rauschende Party. Für den Jungen aus Sydney ein prägendes Erlebnis, wie er sagt. Früh schon galt er als Ausnahmetalent. Mit 21 war er der jüngste Skipper einer America’s-Cup-Yacht, zehn Jahre später der jüngste, der ihn gewinnen sollte, und mit 34 Jahren hat er ihn nun in dem längsten Schlagabtausch der Regattahistorie erfolgreich verteidigt. Schon vor dem Showdown am Mittwoch hatte der Titelverteidiger Oracle Team USA einen kleinen Vorsprung: Spithill und seine Crew waren nach einem Betrugsfall aus dem Vorjahr mit zwei Minuspunkten in die Rennserie gestartet, die mussten sie erst tilgen. So dass sie theoretisch vor dem entscheidenden Matchrace 10:8 nach Rennen führten.

Wie konnte das geschehen? Waren die Neuseeländer zum Auftakt der Rennserie nicht so stark, dass man sie für unschlagbar halten konnte? Hatte das US-Team mit Dirk de Ridder nicht auch den Mann verloren, der den 44 Meter hohen Flügelmast zu bedienen wusste. Es musste sich neu sortieren und brauchte dafür eine Woche, in der ihr die Zeit davonzulaufen drohte.

Obwohl Larry Ellison mit seinem Geld eine Phalanx internationaler Olympiasieger zusammengekauft und für die Vorbereitung seines Dreamteams zwei Katamarane hatte bauen lassen, war der Cupverteidiger auf dem zeitraubenden Amwind-Kurs viel zu langsam und in den Wendemanövern zu schwerfällig. Früh bauten die Kiwis, dirigiert von Taktiker Ray Davies, eine komfortable Führung mit drei Siegen in Folge.

Das US-Team musste am zweiten Tag um Aufschub bitten, was jeder Mannschaft nach dem Reglement nur einmal gestattet ist. Es entschloss sich, Taktiker und Lokalmatador John Kostecki auszuwechseln. Seine Position nahm die britische Olympialegende Ben Ainslie ein. Der ist eigentlich kein Taktiker, sondern steuert die Schiffe, auf denen er ist, selbst. Doch besserten sich die Abläufe an Bord von USA 17 nun merklich. Zwar errangen die „Barker Boys“ weitere drei Siege, aber die Oracle-Segler wurden besser, gefährlicher, die Rennen insgesamt enger.

Die einzige Frage: Verliert der sichere Sieger tatsächlich alles?

Denn Spithill, Ainslie & Co. hatten Zeit gehabt, die Technik der Konkurrenz zu studieren, sie kopierten sie nun. Und ein zweites Rennen gegen die Uhr begann. Mit jedem Tag, den der Cup länger dauerte, behob der Titelverteidiger weitere technische Defizite. Im zwölften Rennen erreichte USA 17 eine Geschwindigkeit von über 30 Knoten gegen den Wind, was 54 Stundenkilometern entspricht. Erstmals waren Boot und Crew in allen Belangen überlegen. Allerdings waren die Kiwis da schon nur noch einen Sieg von der Sensation entfernt.

Kurz darauf waren es dann sogar nur vier Minuten.

Knapp eine Seemeile trennte die Barker-Crew vom Ziel, als bei schwachen Winden das Zeitlimit von 40 Minuten, die ein Rennen maximal dauern darf, überschritten war. Es wurde ergebnislos abgebrochen. Selbst Ben Ainslie sagte anschließend, dass er die Kiwis wegen dieses Rückschlag „bedauere“.

Es wäre eine Sensation gewesen, wenn das Team mit einem Budget von etwa 85 Millionen Dollar über den New-Economy-Rivalen triumphiert hätte, der beinahe das Dreifache zur Verfügung und überdies noch den Heimvorteil hat. Mit seinen unbegrenzten Mitteln hatte Larry Ellison den America’s Cup jahrelang blockiert, weil er einen Rechtsstreit mit Titelträger Alinghi austrug. Bis dahin waren Ellisons Teams einem Finale nicht einmal nahe gekommen. 2007 war Spithill als Skipper des BMW-Oracle-Bootes im Louis-Vuitton-Cup genau dem Mann unterlegen, den er nun abgefangen hat: Dean Barker.

War die Psyche entscheidend? Dass es um sie gehen würde, war nicht zu erwarten bei dem Rüstungswettlauf, der ein America’s Cup von jeher ist, aber diesmal ganz besonders, weil bei diesem 34. Duell vollkommen neue Bootstypen verwendet wurden. Die 72-Fuß-Katamarane haben weniger mit Bootsbau gemein als mit der Konstruktion von Flugzeugen. Jedes Detail ist aerodynamisch konzipiert. Die Segler tragen Pilotenhelme mit Sprechfunk. Es ist Segeln fürs Fernsehen. Hochspektakulär, gefährlich und schnell. Und auch für Laien verständlich.

Um zu verstehen, um was es geht, muss man nicht wissen, woher der Wind weht, was "schmutziger Wind" ist und was "scheinbarer". Man muss auch nicht etwa die exzentrische Silberkanne erstrebenswert finden. Es geht schlicht um die Frage: Ob der sichere Sieger tatsächlich alles verliert. Und der Geschlagene doch noch triumphieren darf Kleinste Unachtsamkeiten haben enorme Effekte. Ein Vorsprung von vielen hundert Metern schrumpft plötzlich zusammen.

Wie am Mittwoch. Als es wieder nur um Sekunden ging, die Jimmy Spithill einfach schneller war.

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