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Wieder Edelmetall: Miriam Welte (r.) und Kristina Vogel freuen sich über Bronze

© dpa

Teamsprint-Duo Vogel und Welte: Eine Bronzemedaille, die Gold wert ist

In London wurden sie unverhofft Olympiasieger, Bronze in Rio bedeutet Kristina Vogel und Miriam Welte aber genauso viel - denn diesmal wurde ihnen nichts geschenkt.

Kristina Vogel blickte auf die Anzeigetafel, dann riss sie in voller Fahrt die Faust hoch und stieß einen Jubelschrei aus. 0,022 Sekunden Vorsprung, es hatte gereicht. Sie hatte die Australierin noch abgefangen. „Das waren nur ein paar Zentimeter, das ist wirklich nichts“, sagte sie später. Sie war noch völlig außer Atem, „mir ist auch noch ganz schön schlecht“. Mit einem atemberaubenden Schlussspurt hatte Vogel am zweiten Tag der Bahnradkonkurrenz doch noch Bronze für sich und ihrer Partnerin Miriam Welte im Teamsprint geholt. „Das ist definitiv so viel wert wie das Gold von London“, sagte Vogel.

Zu dieser Einschätzung kam die Erfurterin wohl auch, weil sie 2012 ein wenig unverhofft Olympia-Sieger geworden waren. Sie profitierten von einem Wechselfehler des Favoriten China, auch davor waren sie nur durch eine Unachtsamkeit der Britinnen ins Finale gekommen.

Diesmal war ihnen das Glück nicht derart hold, dafür war die Bronzemedaille ehrlich verdient. „Wir haben so hart dafür gearbeitet“, sagte Welte. „Es ist so geil, mit einer Bronzemedaille von den Olympischen Spielen nach Hause zu gehen.“

Keine Chance gegen dominante Chinesinnen

Der Teamsprint ist ein bunter Stilmix aus Zeitenjagd und Ausscheidungsrennen. In der ersten Runde zählt die Zeit, die vier besten Paare erreichen das kleine und große Finale. Gold und Bronze werden dann im direkten Vergleich gegeneinander ausgefahren. Dabei fahren die Paare aber nur in der ersten der beiden Runden gemeinsam, den finalen Umlauf bewältigt die Schlusssprinterin allein. Bei den beiden deutschen Frauen ist das Kristina Vogel.

Im Vorlauf waren Welte/Vogel nur die viertschnellste Zeit gefahren. Fast eine Sekunde langsamer als die Chinesinnen Jinjie Ging und Tianshi Zhong, die in 31,928 Sekunden einen neuen Weltrekord über die beiden Runden aufstellten. Ging war schon bei jenem Drama 2012 in London dabei, diesmal blieb sie fehlerfrei. Im Finale gegen den aktuellen Weltmeister Russland holte sie vier Jahre später endlich das Gold.

Bloß nicht Vierte werden

„China und Russland sind so weit vorne weg, mit dem was wir draufhaben, hätten wir nicht um Gold oder Silber fahren können“, sagte Miriam Welte später. „Wir haben hier um Bronze gekämpft, und wir haben den Kampf gewonnen.“ Doch es war ein wahrer Krimi. Gegen die Australierinnen Anna Meares und Stephanie Morton war Vogel nicht besonders gut vom Start weggekommen und hatte nach einer Runde einen deutlichen Rückstand. „Das war ein Patzer von mir“, sagte Vogel. „Der Rückstand war so riesig, ich habe echt geschwitzt. Ich bin froh, dass ich das wiedergutmachen konnte.“

Noch bei der letzten Zwischenzeit hatte Vogel zurückgelegen, erst in der finalen halben Runde fing sie die Kontrahentin noch ab. Danach umarmten sich die beiden Medaillengewinnerin im Innenraum des Velodroms von Rio, und es fielen auch ein paar Tränen auf die Bahn. „Wir haben in der letzten Zeit so viele vierte Plätze für Deutschland am Fernseher gesehen“, sagte Welte. „Wir haben uns gesagt: Wir müssen das unbedingt besser machen.“ Für die Pfälzerin dürfte es der letzte gemeinsame Auftritt bei Olympischen Spielen mit ihrer Partnerin sein, sie ist bereits 29 Jahre alt.

Im Keirin ist Vogel Favoritin

Für Kristina Vogel war der Teamsprint dagegen nur der Auftakt eines umfangreicheren olympischen Programms in Rio. Sie ist erst 25, und sie hat in den nächsten Tagen noch einiges vor. Obschon auch sie bereits einiges hinter sich hat. 2009 lag sie zwei Tage im Koma, nachdem ihr ein Polizei-Kleinbus im Training die Vorfahrt genommen hatte. Sie brach sich einen Brustwirbel, erlitt tiefe Schnittwunden im Gesicht und verlor sechs Zähne, danach erstritt sie in einem vier Jahre währenden Rechtsstreit 100000 Euro Schmerzensgeld vom Land Thüringen. Die Narben im Gesicht verschwinden dadurch nicht.

Aber diese schlimme Erfahrung, die beinahe ihre Karriere beendet hätte, hat Vogel noch stärker werden lassen. Seither hat sie nur noch ein Ziel: Sie will die erfolgreichste Bahnradsportlerin der Geschichte werden. 25 Titel bei Welt- und Europameisterschaften hat sie schon errungen, nun will sie bei Olympia weitersammeln. Bereits am Samstag tritt sie wieder an, im Keirin. In dieser Disziplin ist sie als Weltmeisterin die große Favoritin. Auch im Sprint über 200 Meter rechnet sie sich Chancen auf die Goldmedaille aus. „Der erste Tag stimmt mich positiv für die nächsten“, sagte sie, noch immer um Luft ringend. „Erster Wettkampf, erste Medaille, das könnte so weitergehen.“

Christian Hönicke

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