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Hartes Stück Arbeit. Angelique Kerber im Spiel gegen Hsieh Su-Wei.

© T. Peter/Reuters

Tennis: Angelique Kerber - Spielerin mit Kopf, Herz und Körper

Bei den Australian Open kämpft sich die Deutsche ins Viertelfinale - dabei ist sie im Match gegen Hsieh Su-Wei schier am verzweifeln.

Angelique Kerber rannte kreuz und quer über den Tennisplatz, doch der Ball plumpste immer genau dort ins Feld, wo sie eben nicht stand. Sie musste sich wie der Hase im Märchen fühlen, der noch so sehr die Beine in die Hand nehmen konnte, aber immer war der Igel schon vor ihm da. Kerber taumelte in diesem Achtelfinale zwischen Verzweiflung und Frustration, es war einfach zum verrückt werden. Wütend schrie sie: „Es geht nicht! Es geht einfach nicht!“

Doch ihr Trainer Wim Fissette konnte auf der Tribüne nicht mehr tun, als sie anzufeuern. Dieser unorthodoxe Spielstil der Hsieh Su-Wei mit ansatzlos geschnibbelten Bällen, ultra-kurzen Stopps und federleichten Slice-Attacken erinnerte fast mehr an Badminton denn an Tennis. Und wie sollte Kerber auf diese verrückte Spielweise reagieren, wenn die Taiwanesin selbst gar nicht wusste, was sie da eigentlich machte?

"Ich habe gar keinen Plan", erzählte die 32-Jährige später vergnügt, "ich spiele einfach den Su-Wei-Style. Das ist Freestyle". Bedeutet: Sie entscheidet erst im allerletzten Moment, wo sie einen Ball hinschlägt. "Das überrascht die Mädels auf der anderen Seite dann – aber manchmal auch mich selbst", sagte Hsieh und lachte wieder. Die Weltranglisten-88. hatte jede Menge Spaß während und nach diesem Match, obwohl sie es am Ende nicht gewann. Drei Punkte fehlten ihr noch zum Sieg, es wäre ihr dritter Coup gewesen, nachdem schon Garbine Muguruza und Agnieszka Radwanska an ihr verzweifelt waren.

Aber Kerber kämpfte, so verbissen, wie man es zuletzt 2016 von ihr erlebt hatte. "Ich habe schon oft Matches gedreht", sagte Kerber nach dem hart erarbeiteten 4:6, 7:5, 6:2-Sieg. "Aber heute haben mein Kopf, mein Körper und mein Herz zusammengespielt." Und vor allem ihre Beine waren im Dauereinsatz. "Ich bin so viel gerannt, wie in den ersten drei Spielen zusammen. Ich habe versucht, ruhig zu bleiben, obwohl ich am Rande der Verzweiflung war."

Mentale Zerreißprobe

Es wurde ihre erste mentale Zerreißprobe in dieser Saison, in der bisher alles so glatt lief – und Kerber hat sie bestanden. In der heikelsten Phase Ende des zweiten Satzes zwang sich Kerber, aggressiv zu spielen, obwohl gerade alles gegen sie lief. Und ihr gelang der Befreiungsschlag mit einem wuchtigen Vorhandkracher die Linie hinunter, der ihr das Break zum 6:5 einbrachte. Kerber schrie sich ihre ganze Anspannung von der Seele. "Ich stand mit dem Rücken zur Wand. Ich bin glücklich, dass ich überhaupt eine Lösung gefunden habe."

Kerbers Trainer Fissette war von dieser Partie begeistert und hätte auch damit leben können, wenn Hsieh als Siegerin vom Platz gegangen wäre: "Ich hätte die Niederlage heute akzeptiert. Angie hat alles gegeben, sie hat unglaublich gekämpft und es war ein fantastisches Match." Gut für ihn, dass Kerber Hsieh noch rechtzeitig auf Normalmaß zurückbrachte. So steht die 30-jährige Norddeutsche erstmals seit den US Open 2016 wieder in einem Grand-Slam-Viertelfinale. "Es ist ein tolles Gefühl, die ganze harte Arbeit hat sich gelohnt", sagte Kerber. Ihre Gegnerin ist nun die US-Open-Finalistin Madison Keys aus den USA. "Das wird ein ganz anderes Spiel als heute", fügte Kerber hinzu. Und es schwang Erleichterung in ihrer Stimme mit.

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