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Sport: Tennis im Ballkleid

Wie Scharapowa bei den US Open Aufsehen erregt

Man muss sich wundern, dass sie nicht das Cocktailglas mit auf den Platz bringt, es in Reichweite zum Aufschlagspunkt abstellt und vielleicht noch dem Schiedsrichter ein Schlückchen anbietet. Das Kleid, dass sie trägt, inspiriert von Audrey Hepburns Garderobe in „Breakfast at Tiffany’s“, würde jedenfalls perfekt zu ein bisschen Tennis zwischen den Partys passen. Doch Maria Scharapowa, die kühle Blonde aus Sibirien, kann darin auch richtig spielen. Keine Naht reißt und kein Kristall fällt vom Kragen, die Schlitze geben gerade so viel frei, wie sie sollen, wenn sie die gelben Filzbälle mit ihrem markanten Stöhnen übers Netz treibt. Die „New York Times“ widmete der jungen Russin im Abendkleid, die als eine der Favoritin in die US Open ging, an einem einzigen Tag gleich drei große Fotos.

Niemand kann ihr entkommen, nicht auf dem Gelände des National Tennis Centers in Flushing Meadows, Queens, nicht am Times Square und auch nicht im Fernsehen. Was unweigerlich die Fragen danach provoziert, wie ernst sie noch ihre Aufgaben auf dem Platz nehme. Oder ob sie vielleicht doch schon dabei ist, dem Beispiel anderer Sternchen zu folgen, die nach einem kurzen, dramatischen Auftritt in der Tenniswelt sich ins Show Business verabschieden. Anna Kournikowa fällt einem da sofort ein, Serena Williams auch. Die allerdings legte sich zumindest eine hübsche Titelsammlung zu, ehe sie feststellte, dass ein Leben auf Stöckelschuhen die Oberschenkel zu dick und unbeweglich macht, um auf dem Tennisplatz noch etwas auszurichten.

Seit ihrem Wimbledontitel 2004 hat Scharapowa keinen Grand-Slam-Titel mehr gewonnen, dafür um so mehr Sponsorengelder. Sie darf den Titel der derzeit bestbezahltesten weiblichen Sportlerin in der Welt tragen, zumindest wird sie in den US-Medien so dargestellt, mit überprüfbaren Zahlen allerdings wartet niemand auf. Aber die Amerikaner sind ohnehin besessen von der Kombination aus physischer Attraktivität und ihrem Sinn fürs Geschäft. Scharapowa selbst vergisst bei keinem ihrer Interviews, ihre Entschlossenheit zu betonen, die sie trotzdem für ihren Sport mitbringe. „Ich liebe die Dinge, die ich jenseits des Platzes tue“, sagt die 19-Jährige, „sie sind tolle Möglichkeiten, meine Karriere voranzutreiben. Aber meine Leidenschaft liegt immer noch auf dem Platz.“

Um das zu untermauern, wäre nichts besser, als der zweite Grand-Slam-Sieg ihrer Karriere. „Ich fühle mich in diesem Jahr physisch definitiv stärker“, versicherte sie zu Beginn des New Yorker Turniers, wo sie als Nummer drei gesetzt ist, „viel fitter. Aber das sind auch nur Worte.“ Die Taten müssen auf dem Platz folgen, dort hatte sie bislang vor allem an den besten Drei die Zähne ausgebissen. 0:3 lautet Scharapowas Bilanz gegen Amélie Mauresmo, 1:4 die gegen Justine Henin-Herdenne, 1:4 die gegen Kim Clijsters. In diesen hochrangigen Begegnungen behindert sie vor allem eine für eine Spielerin ihrer Länge (1,88 Meter) erstaunliche Schwäche: ihr Aufschlag. Auch daran habe sie gearbeitet, versichert Scharapowa, was sie allerdings nicht davon abbrachte, in ihren Duellen der ersten drei Runden bisweilen gleich Doppelfehler in Reihe zu produzieren.

Weil offensichtlich auch die Marketing-Strategen ihres Kleidungsherstellers ahnen, dass die junge Frau sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet, haben sie für die US Open einen Werbespot produziert, der erstaunlich genau den Nerv trifft. Darin legt Scharapowa den langen Weg vom Hotel bis zum Stadium unter dem Lobgesang jener zurück, die ihr begegnen. Alle preisen ihre Schönheit, die Hotelangestellten, der Chauffeur, die Ballfrau, der Schiedsrichter, die TV-Kommentatoren – bis Scharapowa den ersten Ball übers Netz hämmert und sie erstaunt ausrufen: Die kann ja spielen! Das Problem mit dem Aufschlag haben die Werbefilmer übrigens elegant gelöst. Statt Scharapowa das Match anfangen zu lassen, darf sie einen kraftvollen Return spielen.

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