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John McEnroe

© DDP

Tennis: Wie Oldies das Tennis retten wollen

Endlich kehrt Tennis ins Fernsehen zurück, mögen Fans mit Blick ins Programmheft denken. Doch beim heute startenden Turnier „Masters of Legends“ auf ProSieben (22.15 Uhr) werden nicht Federer &Co. auf die neongelbe Filzkugel eindreschen, sondern Oldies wie Becker, McEnroe und Borg. Alles bloß ein nostalgischer Werbegag?

Die Zeiten, als sich Millionen von Zuschauern bei ARD oder ZDF dem Tenniswahn um Boris Becker, Steffi Graf und Michael Stich hingaben, sind längst passé. Sie waren für die Sender lukrative Zugpferde. Seit sie im Ruhestand sind, fristet der Tennissport auf Eurosport oder DSF ein eher bemitleidenswertes Dasein. "Tennis wird aber niemals ganz von der Bildfläche verschwinden, auch wenn die Matches momentan nur von den Sportsendern übertragen werden. Tennis war zu Zeiten von Steffi Graf und Boris Becker eine attraktive TV-Sportart. Ich hoffe sehr, dass auch ARD und ZDF dies bald erkennen werden", erklärte Erik Ballauff, Verbandsdirektor des Deutschen Tennis Bundes (DTB).

Zuversichtlich ist auch Boris Becker, der Mit-Organisator des spektakulären Events "Masters of Legends", das über vier Tage läuft und als Mannschaftswettbewerb zwischen den Nationen Deutschland, Kroatien, Frankreich, Schweden und den USA gedacht ist. "Es wird ein tolles Erlebnis für die Fans werden. Damit soll Tennis wieder mehr in das Rampenlicht geführt werden", erklärte Becker. Tennis-Oldies als neue Gallionsfiguren des weißen Sports? Eine anspruchsvolle Kampagne sieht sicherlich anders aus, als mit einem klapprigen Anders Järryd, einen etwas dickbäuchigen Henri Leconte oder einem geläuterten und verbal lammfrommen John McEnroe die Massen für den Sport wieder zu begeistern.

Kritik an der neuen Generation

Der dreimalige Wimbledonsieger Becker sieht das Desinteresse in Deutschland auch darin begründet, dass "die Spieler Philipp Kohlschreiber, Florian Mayer, Benjamin Becker und wie sie alle heißen, schneller zufrieden sind als meine Generation." Er fordert von ihnen, endlich "noch einen Zahn zulegen". Besonders Kohlschreiber nimmt er ins Visier: "Das ist ein talentierter Spieler, der in die Top Ten kommen könnte. Man hat aber nicht den Eindruck, dass er das auf Teufel komm raus will."

Verbandsdirektor Ballauff betrachtet im allgemeinen Kontext die Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld der Jugendlichen als entscheidenden Faktoren, warum die Leidenschaft zum Tennis nicht mehr ganz so stark gegeben ist: "Die aktuelle Explosion des Freizeitangebots und die Popularität informeller Sportarten haben die Rahmenbedingungen stark verändert. Tennis muss heute den Spagat schaffen zwischen Tradition und Zeitgeist. Das ist nicht einfach", so der DTB-Funktionär.

Um Tennis wieder salonfähig zu machen und so an die Glanzzeiten der 80er und 90er Jahre anzuknüpfen, sollen Maßnahmen wie "Cardio-Tennis" oder "Deutschland spielt Tennis" die Massen zu den Vereinen locken. Aber auch Ballauff erkennt die Schwierigkeit bei diesem Unterfangen: "Als Individualsportart ist Tennis in der öffentlichen Wahrnehmung natürlich immer auch abhängig von der Leistung und Strahlkraft einzelner Aushängeschilder. Ein neuer Star am deutschen Tennishimmel würde dem Tennissport in Deutschland mit Sicherheit neue Impulse geben." Er hofft auf einen Erfolg des heutigen Events auf ProSieben: "Die Veranstaltung erweist dem Tennissport einen Dienst, indem sie dafür sorgt, dass Tennis bei einem Sender wie ProSieben präsent ist - und zwar nicht nur im News-Block sondern prominent mit einer eigenen Sendung."

Becker wieder der Strahlemann

Man kauft es ihm sicherlich ab, dass er über die Entwicklung des Tennis in Deutschland enttäuscht ist - aber seinem Geschäftssinn tut das Wehklagen keinen Abbruch. Mit dem "Masters of Legends" rückt Becker wieder gekonnt in den Mittelpunkt. Auch wenn seine sportlichen Glanzjahre gefühlte Lichtjahre vorbei sind, die Werbewirksamkeit des Leimeners überstrahlt das Tennis-Circuit noch immer. Für Tommy Haas & Co. bleibt Becker mit seiner charismatischen und eindringlichen Art eine Hürde im Versuch, selbst Akzente zu setzen. "So ein Typ wie Becker stiehlt natürlich ungewollt allen die Show. Aber er kann ja nichts dafür, wenn hinter ihm nichts mehr kommt", hat auch John McEnroe das Dilemma der deutschen Tennisszene erkannt.

Becker hier, Becker da - jetzt auch mit einem eigenen Format auf ProSieben. Nur so funktioniert auch das finanzielle Melken der schon fast ausgelaugten Tennis-Milchkuh - Becker weiss wie es geht. Tennis soll wieder salonfähig werden. Und die Oldies als letzte Rettung? Eine wirklich erschreckende Erkenntnis.

Hakan Uzun

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