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Sport: Theos Lehrerin

Angela Merkel führt DFB-Präsident Zwanziger bei der Verbandstagung in Essen vor. Ein Ortstermin

Schon bevor es losgeht, witzeln die Delegierten. „Führst du die Kanzlerin in den Saal?“, fragt ein Herr in dunklem Jackett einen anderen. „Da muss ich erst einen Antrag beim Präsidenten stellen“, gibt der zurück. Aus dem Saal der Essener Philharmonie erklingt ein Tusch, und da läuft er schon ein, der Präsident. Theo Zwanziger, Oberhaupt des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), führt Bundeskanzlerin Angela Merkel an ihren Platz – diesmal darf er. Zuletzt beim Länderspiel gegen die Türkei in Berlin ging sie ohne ihn in die Kabine der Nationalspieler und ließ sich mit Mesut Özil für ein politisches Werbebild ablichten. Das hat den Ungefragten gekränkt, sodass er eine Entschuldigung Merkels ihm gegenüber lancierte, die das Bundeskanzleramt dann dementieren musste.

Nun, bei der Eröffnung des DFB-Bundestages am Donnerstagabend, versucht sich Zwanziger zu entschuldigen, ohne sich zu entschuldigen. Er lobt Merkel für die Idee, sich um die Frauenfußball-Weltmeisterschaft zu bewerben, dafür, dass sie „gedanklich schon ein wenig weiter“ sei. Zwanziger sagt: „Wir sind Schüler, die gerne lernen.“ Also erteilt ihm die Lehrerin eine kleine Lektion, die der DFB-Präsident wohl so schnell nicht vergessen wird.

Auf der Leinwand wird ein Filmchen eingespielt, das Merkel jubelnd, tanzend und lachend auf den Ehrentribünen von Fußballstadien zeigt. Dann darf die Kanzlerin ans Mikrofon. Zum Start ruft sie: „Da hat ja eigentlich nur ein Bild gefehlt.“ Der Saal prustet los; was mag Zwanziger jetzt denken? Nach netten Worten über die Integration durch den Fußball und das Ehrenamt kommt Merkel zu ihm. Er halte den Verband mit seinen Amateuren und Profis ja schön in der Balance. Da strahlt der 65-Jährige unten in der ersten Reihe; schließlich haben eben im DFB-Präsidium die Amateure den Profis einen Kompromiss abgerungen, nach denen die drei Regionalligen auf fünf erweitert werden. „Ein Stück Ehrfurcht“ habe sie schon vor Zwanziger, lässt Merkel wissen, schließlich habe sie auch viel auszubalancieren. Wieder Gefeixe im Saal.

Dann ist Merkel fertig, na ja fast, sie gratuliert beim Gehen noch Joseph Blatter, dem Präsidenten des Fußball-Weltverbands Fifa, der auch nach Essen gereist ist, weil er ja gleich Ehrenmitglied des DFB werde. Zwanziger schaut irritiert, eigentlich wollte er das doch gleich verkünden, eigentlich muss er doch vorher noch per Applausometer abstimmen lassen. „Ich denke, Sie werden mich nicht unangenehm überraschen“, scherzt Merkel und strömt, vom Applaus umspült, aus der Halle.

Theo Zwanziger bleibt zurück mit Bundestag und Applausometer. Blatter ist noch da. Er, der gerade eine Korruptionsaffäre in seinem Verband zu behandeln hat, er, den nichts erschüttert, meint: „Die Fifa hat einen schlechten Tag, ich habe einen guten.“ Blatter verfällt ins Schwadronieren, auch über Zwanzigers Lieblingsthema, den Frauenfußball, aber Moment mal – Blatter blickt in den Saal: „Wie viel Prozent Frauen sind denn hier überhaupt?“ Die Antwort ist ein tiefes Raunen.

Als Zwanziger endlich Blatter ehren will, fällt die Leinwand aus, das Mikrofon auch. Zwanziger klopft aufs Mikro, einmal, zweimal, ist es an? „Hallo!“, ruft er in den Saal. Es ist an.

Hallo! Angela Merkel kann ihm nicht mehr antworten.

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