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© dpa

Thomas Greilinger: Zurück von der Party

Karriereende, Alkohol, Übergewicht: Eishockeyprofi Greilinger und sein beeindruckendes Comeback.

Von Katrin Schulze

Berlin - Das deutsche Eishockey hat in seiner Geschichte nicht gerade viele Helden hervorgebracht. Genies dieses Fachs, große Talente und Idole sind die absolute Ausnahme – und deshalb umso begehrter. Thomas Greilinger war so ein Talent. Damals. Vor etwa zehn Jahren, als er mit den ganz Großen seines Sports verglichen wurde und zu einem zweiten Dieter Hegen aufgebaut werden sollte, einem, der dem deutschen Eishockey ein Gesicht gibt. Heute taugt Thomas Greilinger kaum noch als Vorzeigeathlet. Zwar ist der mittlerweile 28 Jahre alte Angreifer des ERC Ingolstadt derzeit der beste Spieler in der Deutschen Eishockey-Liga, doch die Umwege, die er dafür gegangen ist, sind beispiellos. Sie führten über Verletzungen, massives Übergewicht, Alkohol und ein paar andere Laster.

Dabei war die Karriere des Thomas Greilinger im Prinzip programmiert. Schon im Kinder- und Jugendalter war er immer der Beste, mit 18 Jahren debütierte er in der Nationalmannschaft und wurde bei seinem ersten Turnier prompt bester Spieler. Alles schien einfach. Vielleicht ein bisschen zu einfach, wenn man Thomas Greilinger heute hört. „Ich habe mich damals zu sehr auf mein Talent verlassen“, sagt er. „Ich war faul und schon ein Hallodri.“ Viel ausgelassen hat Thomas Greilinger damals nicht. Sein Leben war sozusagen eine einzige Party, in der er sich zwischendurch ein bisschen mit Eishockey ablenkte.

Zu seinem ausschweifenden Lebensstil gesellte sich irgendwann eine schwere Knieverletzung inklusive Knorpelschaden – der Bayer hatte genug. Als er seine Karriere für beendet erklärte, hatte er 58 Länderspiele hinter sich und war er gerade 24 Jahre alt. Der Sport war abgehakt, die Party ging weiter. Solange bis Thomas Greilinger „ganz unten war“, wie er selbst sagt. Der Tiefpunkt in seinem Leben ging einher mit dem Höchststand auf der Waage: Gut 130 Kilogramm wog der ehemalige Spitzensportler damals und stand vor einer wegweisenden Entscheidung. „Es ging irgendwann um die Frage Büro oder Eishockey“, sagt der Mann mit den blondierten Haaren heute.

Thomas Greilinger hat zwei Gesichter. Das eine ist pausbäckig und mit tiefdunklen Augenringen unterlegt, dazu trägt er eine Glatze – es ist das Gesicht seiner Vergangenheit. Das andere Gesicht wird von einem kleinen Bärtchen am Kinn umrandet und ist schmal, etwas mitgenommen sieht es vielleicht aus, aber doch frisch. Es ist das Gesicht der Gegenwart und, wenn es nach Greilinger geht, auch das der Zukunft, denn der Bayer ist eher nicht der Typ für einen Bürojob. Nachdem er von seinen Ärzten die Freigabe zum Eishockeyspielen bekommen hatte, speckte er ab und absolvierte ein hartes Fitnessprogramm. „Viel trinken, viel trainieren, wenig essen“, so beschreibt er seinen Weg zurück ins Profigeschäft. Partys und Alkohol genehmigt er sich nun nur noch in Ausnahmefällen.

Über die vierte Liga führte sein Weg zurück. Nach einer herausragenden Saison in der Bayernliga unterschrieb Greilinger 2008 wieder einen Vertrag bei einem Team der höchsten deutschen Spielklasse, dem ERC Ingolstadt, der im Februar sogar bis 2012 verlängert wurde – und der Angreifer rechtfertigt dieses Vertrauen. Wenn er heute bei den Eisbären antritt (19.30 Uhr, Arena am Ostbahnhof), wird er mit 17 Toren und 19 Vorlagen als bester Akteur der Liga angekündigt werden – und als Nationalspieler. Nach fünfjähriger Länderspielpause kehrte Greilinger beim Deutschland-Cup Anfang November ins Nationalteam zurück und beeindruckte seinen Chef. „Die Chancen stehen sehr gut, dass er wieder ein fester Bestandteil des Teams wird“, sagt Bundestrainer Uwe Krupp. „Er kann die ganze Mannschaft besser machen.“

Manchmal kann es ein bisschen länger dauern, bis man ein ganz Großer wird.

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