zum Hauptinhalt
Letztlich chancenlos. Silvio Heinevetter und Fabian Wiede verloren mit den Füchsen gegen Kiel

© Imago/Jan Huebner

THW Kiel bleibt Titelkandidat: Die Füchse Berlin verpassen Achtungserfolg knapp

Nach einer torreichen ersten Hälfte führen die Füchse gegen Kiel. Dann zieht der Pokalsieger davon, ehe es in den letzten Sekunden dramatisch wird.

Spätestens bei der Weltmeisterschaft im Januar ist vielen Menschen bewusst geworden, dass es sich beim Handball um eine knüppelharte, aber eben doch ausgesprochen faire, ehrliche Sportart handelt. Wie das im Alltag aussieht, konnte man am Gründonnerstag in der Max-Schmeling-Halle beobachten: Bei der Begrüßung beider Teams gratulierte Hans Lindberg, der Kapitän der Füchse Berlin, vor dem Anpfiff jenen Spielern vom THW Kiel, die sich vor eineinhalb Wochen noch im Halbfinale des DHB-Pokals gegen die Berliner durchgesetzt und einen Tag später auch die Trophäe mitgenommen hatten – eine herausragende Geste, die zu einem Klassemann wie Lindberg passt und bei den Kielern sicher gut ankam. 

Mit den Nettigkeiten war es dann allerdings alsbald vorbei: Im Spitzenspiel des 27. Bundesliga-Spieltags bekämpften sich Berlins und Kiels Handballer nach allen legalen und phasenweise auch illegalen Mitteln der Kunst – mit dem besseren Ende für die Gäste, die sich in der mit 10 000 Zuschauern ausverkauften, mit einer Zusatztribüne ausgestatteten Max-Schmeling-Halle mit 30:29 (13:15) durchsetzten und die Meisterschaft auf den letzten Metern der Saison damit weiter spannend gestalten.

Der Rückstand des THW auf Tabellenführer Flensburg-Handewitt beträgt bei sieben noch ausstehenden Spielen scheinbar schwer einholbare vier Punkte. Allerdings kommt es noch zum direkten Duell der beiden Rivalen aus Norddeutschland. Für die Füchse wird es dagegen trotz einer couragierten, geschlossenen Mannschaftsleistung immer enger im Kampf um die Europapokalplätze.

Sowohl Füchse-Coach Velimir Petkovic als auch sein Pendant, Kiels Erfolgstrainer Alfred Gislason, entschieden sich zunächst dafür, die identischen Startformationen aufs Feld zu schicken wie im besagten Pokalhalbfinale am ersten April-Wochenende. Der Spielfilm sollte allerdings ein ganz anderer werden: Im Gegensatz zum letzten Duell ließen die Berliner den THW in Halbzeit eins nicht aussichtslos davonziehen, ganz im Gegenteil: Hans Lindberg traf nach zehn Minuten mit einem wunderbaren Trickwurf zur zwischenzeitlichen Zwei-Tore-Führung für die Gastgeber; es sollte nicht Lindbergs letzter Höhepunkt an diesem Abend bleiben.

Schwache Torhüter auf beiden Seiten

Dafür blieben zwei Spieler hinter den Erwartungen zurück, von denen sich viele Experten ein nettes Privatduell erhofft hatten: sowohl Silvio Heinevetter, der das erste Heimspiel seit Bekanntgabe seines Wechsels zur MT Melsungen bestritt, als auch Kiels Ausnahmetorhüter Niklas Landin erwischten einen gebrauchten Tag und machten nach einer Viertelstunde Platz für ihre Back-ups; für Heinevetter kam Malte Semisch aufs Feld, für Landin Deutschlands Nationaltorhüter Nummer eins, Andreas Wolff.

Auch nach den Personalrochaden auf der neuralgischen Torhüterposition blieb es extrem spannend und umkämpft: die Kieler gingen durch ihren Kapitän Domagoj Duvnjak erstmals beim 11:10 in Führung, die Berliner Antwort ließ nicht lange auf sich warten: vor einer prächtigen Kulisse – bereits zur Pause honorierten die Besucher das Dargebotene mit stehenden Ovationen – erkämpften sie eine 15:13-Führung, mit der es in die Kabine ging.

Nach dem Seitenwechsel benötigten die Gäste aus Schleswig-Holstein ganze zehn Minuten, um einen Zwei-Tore-Rückstand in eine Zwei-Tore-Führung umzumünzen; sie nutzten einige kleine Ungenauigkeiten im Berliner Spiel und kamen zu vergleichsweise einfachen Kontertoren. Petkovic reagierte und tauschte seine Torhüter zurück – mit überschaubarem Erfolg; es war schlichtweg kein Spiel das Keeper.

Genau in der Phase, in der die Kieler Oberwasser gewannen, musste Petkovic darüber hinaus einem seiner besten, wenn nicht sogar dem am Donnerstag besten Mann eine Pause einräumen: In der Abwesenheit Fabian Wiedes machten Mattias Zachrisson und Paul Drux mit jeweils drei wichtigen Treffern zum 21:21-Ausgleich auf sich aufmerksam.

Heinevetter will kein Öl mehr ins Feuer gießen

In der entscheidenden Phase hatten die Kieler schließlich die besseren Nerven, beim 26:22 sahen sie bereits wie der sichere Sieger aus. Es war die Phase, die Torwart Silvio Heinevetter nach dem Spiel meinte, indem er von "fehlendem Glück" sprach. Die Schlagzeilen der vergangenen Tage beeinflussten Heinevetter laut eigener Aussage übrigens nicht. "Das spielt keine Rolle für mich, wir laufen als Mannschaft auf", sagte Heinevetter, um kurz den Inhalt des Telefonats mit Bob Hanning vom Mittwoch zusammenzufassen: "Ich habe ihm gesagt, dass es reicht und dass ich kein Öl mehr ins Feuer gießen will."

Wenn die Kieler dachten, sie hätten das Spiel mit dem Vier-Tore-Vorsprung gewonnen, hatten sie die Rechnung ohne die Füchse gemacht, die beim 29:30 wieder in Schlagdistanz waren. Der letzte Angriff des Abends – auf der Uhr waren noch 25 Sekunden verblieben – versandete jedoch, weil ausgerechnet Fabian Wiede den entscheidenden Fehlpass spielte. "Es war komplett mein Fehler, da habe ich überreagiert", nahm Wiede nach dem Spiel die Schuld auf sich.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn wir in dieser Saison noch einmal gegen den THW ran müssen“, hatte Füchse-Trainer Velimir Petkovic bereits vor dem Spiel gesagt. Wenn es tatsächlich so käme, würde das nämlich bedeuten, dass sich die Berliner für das Finalturnier um den EHF-Pokal qualifizieren, das im Mai in Kiel ausgetragen wird

Den nächsten Schritt auf dem Weg dorthin können die Füchse am Ostersonntag machen: dann treten sie im Hinspiel des Europapokal-Viertelfinals bei der TSV Hannover-Burgdorf an. Das Rückspiel findet eine Woche später in der Max-Schmeling-Halle statt, dann wieder ohne jene Zusatztribüne, die am Donnerstagabend im Einsatz war. 

Zur Startseite