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Torwart Kim Sonne-Hansen beim Siebenmeter gegen Uwe Gensheimer.

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THW Kiel gegen Rhein-Neckar Löwen: Kim Sonne-Hansen: Nobody ist fast der Größte

Das Duell um die deutsche Handballmeisterschaft zwischen dem THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen bleibt offen, nachdem sich die beiden Mannschaften mit einem 23:23 (11:10) voneinander trennten.

In der tosenden Atmosphäre der Arena hatte Kim Sonne-Hansen erstmals große Emotionen gezeigt. Der 22-jährige Torwart des THW Kiel ballte die Fäuste im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga, schrie seine Freude über parierte Bälle hinaus, und die 10.285 Fans hatten ihn enthusiastisch gefeiert – ihn, „der zum ersten Mal die große Bühne des Handballs betreten hat“, wie THW-Kapitän Filip Jicha später anerkennend formulierte. Und der dabei Uwe Gensheimer, dem besten Linksaußen der Welt, einige Bälle vom Flügel abgekauft hatte. Später, als die lärmende Handball-Schlacht gegen die Rhein-Neckar-Löwen mit einem 23:23 (11:10)-Remis hinter ihnen lag und klar war, dass der Meisterschaftskampf weiter offen bleibt, flüsterte Sonne-Hansen in einer Ecke vor der Mannschaftskabine. „Das ist ein großes Ding für mich“, hauchte er lächelnd ins Mikrofon. Und dass er die Kulisse als großartig empfunden habe, die Fans, die Mannschaft, die Defensive seines Teams. „Er war großartig“, lobte Kiels Spielmacher Aron Palmarsson. „Wir haben Vertrauen in ihn, wir haben Sicherheit, wenn er hinter uns steht.“

Die abenteuerliche Geschichte von Kim Sonne-Hansen

Der Isländer lächelte ebenfalls, weil sie alle um die abenteuerliche Story des jungen Dänen wissen. Sonne-Hansen war, nachdem THW-Coach Alfred Gislason im Rahmen einen Trainerlehrganges zufällig ein Training von ihm gesehen hatte, im Sommer 2014 als zweiter Torwart eines dänischen Absteigers nach Kiel gekommen. Der Plan war, als dritter Torwart in der THW-Reserve Spielpraxis zu sammeln. Aber nun, da Andreas Palicka (Oberschenkelverletzung) und Johan Sjöstrand (Fieber) ausgefallen waren, stand er plötzlich im Rampenlicht und spielte groß auf gegen sein Idol Niklas Landin, das zwar mit 17 Paraden vier Bälle mehr gehalten hatte, aber seinen jungen Kollegen lobte. „Ich finde, er hat ein bisschen zu viele Bälle gehalten“, sagte Landin, der als bester Keeper der Gegenwart gilt.

Der THW Kiel sah zwischenzeitlich schon wie der Sieger aus

Die beiden starken Torhüterleistungen passten in das faszinierende Schlachtengemälde vom Ostersonntag. Die Abwehrspieler hatten sich wie Raubtiere auf die Werfer gestürzt. Beide Mannschaften spielten über lange Zeit auf sehr hohem Niveau mit einem 3:2:1-Defensivsystem der klassischen jugoslawischen Schule, das extrem kräftezehrend ist, aber die Scharfschützen im Rückraum in Zweikämpfe verwickelt und so vom Tor fern hält. Die Partie wurde bis zur 41. Minute, als Löwen-Regisseur Andy Schmid zum 15:15 ausglich, auf Augenhöhe geführt. Dann zogen die Kieler scheinbar unaufhaltsam davon, als sie einige Tempogegenstöße verwerteten. Und als Kreisläufer Patrick Wiencek zum 21:17 traf (50.), schien sich der breitere Kader des THW durchzusetzen. Doch danach scheiterten sie immer wieder an Landin, der junge Harald Reinkind glich 50 Sekunden vor der Schlusssirene aus. Und dennoch hätte der THW in den letzten Sekunden eine Vorentscheidung in der Meisterschaft herbeiführen müssen, als Palmarsson einen Abpraller in die Hände bekam und aus kurzer Distanz nur die Latte traf. „Das waren nur Millimeter. Ich bin ziemlich enttäuscht“, sagte der Isländer. „Meine Mannschaft hat großartig gekämpft, aber das war am Ende ein Punktverlust“, klagte Gislason.

Kiel mit 47 Treffern vor den Rhein-Neckar Löwen

Der Titelverteidiger besitzt wegen des um 47 Treffer besseren Torverhältnisses gegenüber den punktgleichen Löwen dennoch weiter leichte Vorteile im Titelkampf. „Wir haben große Moral gezeigt, aber haben es jetzt leider nicht mehr in der Hand“, sagte Löwen-Kapitän Gensheimer. Ein dramatisches Wettwerfen wie im Vorjahr, als der THW mit zwei Toren Vorsprung siegte, ist unwahrscheinlich. Eher dürfte die Serie in Magdeburg entschieden werden. Die Löwen reisen am letzten Spieltag nach Sachsen-Anhalt, die Kieler bereits am Mittwoch. In der letzten Saison verloren sie in der Bördelandhalle. Sollte es diesmal besser laufen, dürfte ihnen die 20. Meisterschaft allerdings kaum noch zu nehmen sein. Und sollte das dem Serienmeister tatsächlich gelingen, dann müsste dieser Titel auch mit der Geschichte des jungen Torwarts erzählt werden, der vor einigen Wochen noch ein Nobody des Handballs war.

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