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Sport: Tifosi ohne Leidenschaft

Dem italienischen Fußball gehen die Zuschauer aus

In Italiens Fußballstadien tobt längst nicht mehr die Begeisterung, halb leer sind die Arenen in der Serie A jetzt oft. Doch die Fans haben sich nicht etwa nach Hause vor den Fernseher zurückgezogen. Die Einschaltquoten sind mäßig, selbst wenn die Nationalmannschaft spielt. Nur sieben Millionen Zuschauer wollten zuletzt die WM-Qualifikationsspiele der Azzurri sehen, so wenig wie noch nie. Jetzt droht zudem ein neuerlicher Wettskandal, den die Staatsanwaltschaft von Genua aufspürte. Nach den Abhörprotokollen sollen Spiele von Lazio Rom, AS Rom, Inter Mailand und Juventus Turin manipuliert worden sein.

Der italienische Fußball durchlebt derzeit die größte Krise der Nachkriegszeit. Die Serie A musste einen Schwund von durchschnittlich 5000 Zuschauern gegenüber der Vorsaison hinnehmen. Vor zehn Jahren besuchten sogar noch 10000 Zuschauer mehr als jetzt die Ligaspiele. Die wirtschaftlichen Folgen sind verheerend: Der Schuldenstand aller Profiklubs beläuft sich nach vorsichtigen Schätzungen auf insgesamt 1,6 Milliarden Euro.

Die Ursachenforschung in der Chefetage des italienischen Fußballverbandes verlief bislang konfus und kontrovers. Ligaausschusspräsident Adriano Galliani, der gleichzeitig Berlusconis Statthalter beim AC Milan ist, macht die schlechten Stadien für die Misere verantwortlich. „Wir haben die hässlichsten Stadien Europas“, beklagte er. Dabei wurden sie erst anlässlich der WM im Jahr 1990 renoviert oder neu gebaut. Dass sich mittlerweile jeder Zuschauer dank der Digitaltechnik für rund fünf Euro ein Ligaspiel seiner Wahl im Fernsehen ansehen kann, ist für Galliani unerheblich.

In den vergangenen zehn Jahren machten Milan und Juventus Turin die Meisterschaft unter sich aus. Dieser fehlende Wettbewerb sei der eigentliche Grund am schwindenden Zuschauerinteresse, glaubt indes Palermos Präsident Zamparini. „In diesem Jahr kämpfen nur zwei Mannschaften um die Meisterschaft“, lamentierte er. Viel prosaischer sieht es hingegen der Präsident vom Zweitligaklub Atalanta Bergamo. „Um eine Eintrittskarte zu kaufen, braucht man heute den Beistand eines Rechtsanwaltes“, kritisierte Ivan Ruggeri die Einführung der namentlichen Eintrittskarten. An den angeblich überhöhten Preisen für die Eintrittskarte soll es übrigens laut Ruggeri zumindest in Bergamo nicht liegen: „Ich habe den Preis für die billigste Eintrittskarte mittlerweile auf fünf Euro gesenkt, und trotzdem bleibt das Stadion leer.“

Einst war der italienische Tifoso verrückt nach Fußball. Es scheint, als sei er ihm keine Herzensangelegenheit mehr.

Vincenzo Delle Donne[Turin]

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