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Trifft auch mit Rechts: Timo Boll im Doppel mit Buchautor Friedhard Teuffel.

© Sandra Teuffel

Timo Boll beim Tagesspiegel: "Die Chinesen imitieren mich mit rausgestrecktem Hintern"

Timo Boll ist in China ein Star, denn er besiegt die Chinesen in ihrem Nationalsport. Tagesspiegel-Sportchef Friedhard Teuffel hat darüber ein Buch geschrieben und vorgestellt - auf einmal stand Boll selbst im Raum.

Plötzlich steht er da, der weltbeste Tischtennisspieler außerhalb Chinas. Ganz still ist er durch die Hintertür ins Tagesspiegel-Verlagsgebäude gekommen, wo Friedhard Teuffel gerade aus seinem Buch „Timo Boll: Mein China. Eine Reise ins Wunderland des Tischtennis“ liest. Unauffällig durch die Hintertür zu kommen, das sieht Timo Boll ähnlich. Im vergangenen Jahr hatte Friedhard Teuffel, der die Tagesspiegel-Sportredaktion leitet, den Rekord-Europameister auf eine Reise nach China begleitet, wo Tischtennis Nationalsport ist und Timo Boll beliebt wie kein anderer Sportler. Weil Boll aufgrund einer Schulterreizung am Wochenende nicht an den deutschen Meisterschaften im Velodrom teilnehmen konnte, war lange unklar, ob er es zur Lesung schaffen würde. Er ist aber extra für die Fans nach Berlin und am Freitag zur Tagesspiegel-Veranstaltung "Zeitung im Salon“ gekommen.

Ruhig, zurückhaltend, freundlich, so beschreibt ihn Friedhard Teuffel in seinem Buch, das eine Mischung aus Reisereportage und Porträt eines Sportlers und einer Sportart ist, und so erlebten ihn auch die Besucher an diesem Abend. Wie passt das Image vom „netten Jungen aus dem Odenwald“, so Teuffel, zu dem Weltstar, der in China gar zum „sexiest man alive“ gekürt worden ist? Das wollte Friedhard Teuffel herausfinden.

Nicht nur im Buch, auch an diesem Abend gewährte Boll Einblicke in sein Leben: An die Wand projizierte Videos zeigen Timo als Vier- bis Sechsjährigen im holzvertäfelten Hobbykeller an der Tischtennisplatte, mit gestreiftem Frottee-Schlafanzug: „Ich habe abends immer vor dem Schlafen mit meinem Vater gespielt“. Auch Bilder von seinen China-Aufenthalten gab es zu sehen, von Wettkämpfen und von Menschentrauben – in deren Mitte: der Autogramme schreibende Timo Boll. Seit fünfzehn Jahren reist der Dreißigjährige regelmäßig nach China. Ihm gelang es, die Chinesen von der Spitze der Weltrangliste zu vertreiben.

An China schätzt Boll nicht nur die Gastfreundschaft und Herzlichkeit, sondern auch das Essen. Seit gut einem Jahr lernt er am Konfuzius-Institut in Düsseldorf Chinesisch und bestellt im Restaurant bis zur Pekingente alles mühelos in seiner neuen Zweitsprache. Auch Autogramme schreibt er auf Chinesisch. Das Reich der Mitte ist sein zweites Zuhause geworden. „Ich habe China richtig liebgewonnen. Dort habe ich, der stille Junge aus dem kleinen Dorf, die große weite Welt kennen gelernt.“

"Tischtennis ist ein bisschen wie Schachspielen"

Im Alter von acht Jahren wurde Linkshänder Timo Boll vom hessischen Landestrainer Helmut Hampl entdeckt, obwohl er damals etwas pummelig war –seine Mutter machte ihm für jedes Trainingslager allzu leckere Pakete mit Kuchen und Süßigkeiten. Trainer Hampl sah aber, dass Timo etwas hatte, was für Jungs in dem Alter nicht selbstverständlich ist: absolutes Konzentrationsvermögen. Und was mal ein Nachteil war, ist heute Bolls Trumpf: Da er früher nicht schnell genug war, jeden Ball mit der Vorhand zu spielen, trainierte er seine Rückhand. Die ist heute stärker als bei vielen Gegnern.

Neben täglichem Training und ausgefeilter Taktik braucht ein Profispieler vor allem eines: einen klaren Kopf. „Tischtennis ist ein bisschen wie Schachspielen“, erklärte Timo Boll den Besuchern. „Ich versetze mich in meinen Gegner hinein und versuche auf ihn zu reagieren.“ Die Taktik überlegt er sich nicht für einen ganzen Satz, sondern immer nur für den nächsten Ballwechsel. Was ebenfalls von großem Vorteil ist: Seine dynamische Sehstärke, also die Fähigkeit, schnelle Bewegungen zu verfolgen, liegt weit über dem Durchschnitt und auch höher als die seiner Nationalmannschaftskollegen.

Die Chinesen analysieren jede seiner Bewegungen, es ist sogar die Rede von „Boll-Doubles“, die versuchen, seinen Stil zu imitieren. „Das sieht ziemlich komisch aus: mit Links und rausgestrecktem Hintern“, erzählt Boll lachend. Ob ihn manchmal ein Gegner mit einem neuen Schlag überrasche, wollte ein Zuhörer wissen. „Ein einziger hat mich überrascht – mit einem Schlag, den ich selbst vorher mal gemacht habe. Das passiert mir nicht nochmal!“ Nun muss der Tischtennisprofi erst einmal fit werden für die Mannschafts-Weltmeisterschaft Ende März in Dortmund und für die Olympischen Spiele in London.

Am Ende des Abends, nachdem er sämtliche Bücher signiert hatte, stellte sich Boll selbst an die Platte: Das Match mit Buchautor Teuffel gegen zwei Fans spielte er wegen der Schulterverletzung mit Rechts: So mancher Ball ging daneben, aber der Spaß war Timo Boll, der mit dem Schläger in der Hand seine Zurückhaltung verliert, anzusehen.

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