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© dpa

Tischtennis: Puzzle mit Ball

Manchmal ähnelt Tischtennis einem Geduldsspiel. "Sein Spiel ist wie ein Puzzle", sagt Richard Prause. Was der Bundestrainer meint: Ruwen Filus ist ein Alleskönner, ein Allrounder – ein moderner Abwehrspieler.

Manchmal ähnelt Tischtennis einem Geduldsspiel. „Sein Spiel ist wie ein Puzzle“, sagt Richard Prause. Was der Bundestrainer meint: Ruwen Filus ist ein Alleskönner, ein Allrounder – ein moderner Abwehrspieler. Der letzte im Viertelfinale bei den Europameisterschaften, und seit Anfang der 80er Jahre, seit dem legendären Engelbert Hüging, der erste erfolgreiche Deutsche mit diesem Spielsystem. Der 21-Jährige ist in Stuttgart aber noch mehr: Dass Timo Boll und Christian Süß am Samstagabend ihren dritten EM-Titel im Doppel hintereinander gewannen, war erwartet worden, nicht aber das gute Abschneiden von Ruwen Filus.

Erst in der Runde der besten Acht schied Filus aus, mit 2:4 Sätzen gegen den Russen Fedor Kuzmin. „Ich hätte nie daran gedacht, dass ich so weit komme“, sagte Filus. Sein Ziel war bei seiner ersten EM-Teilnahme bescheiden: Das Hauptfeld wollte er erreichen, vielleicht die erste Runde überstehen. Doch dann startete der Bundesligaspieler der TG Hanau seine Siegesserie: 4:0 über den Israeli Shimon Rabinovich, hatte etwas Glück bei der verletzungsbedingten Aufgabe des Tschechen Petr Korbel (bei 3:2 Sätzen und 6:2-Führung für Filus), brachte danach den Polen Lucjan Blaszczyk zur Verzweiflung (4:0) und kämpfte schließlich den Kroaten Andrej Gracina mit 4:2 nieder.

Filus’ Abschneiden ist bei dieser EM die einzige wirkliche Überraschung im deutschen Herrenteam. Sowohl der an Position vier gesetzte Dimitrij Owtscharow als auch Europas Nummer zehn, Christian Süß, und die Nummer elf, Patrick Baum, enttäuschten gegen zum Teil erheblich schwächer eingestufte Gegner.

Nicht so Filus. Und das ist umso erstaunlicher, als der Hesse aufgrund der Komplexität seines Spielsystems eigentlich länger braucht, um ein erfolgreiches Spiel zu etablieren. „Nach dem Wechsel aus der Jugend habe ich so schnell keinen Erfolg erwartet“, sagt der Jungen-Europameister mit dem Team von 2006. Das Problem: Neben den Unterschnitt-Abwehrbällen einige Meter hinter dem Tisch muss ein moderner Abwehrspieler auch alle Schläge eines Angreifers beherrschen, also auch Vorhand- und Rückhand-Topspin. Mit der reinen Schnittabwehr gewinnt heutzutage niemand mehr. Und das Schwerste: Der Spieler muss intuitiv richtig entscheiden, wann er passiv spielt und wann er aktiv und mit Risiko agiert. Dafür muss er das Spiel und die Verfassung des Gegners lesen können. Und das dauert. Filus scheint das bisher im Schnelldurchlauf gelernt zu haben. Extraschichten im Training mache er keine.

Auch wenn er im Einzelwettbewerb seine Teamkollegen, außer Superstar Timo Boll, hinter sich ließ, weiß er, dass er noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt ist. Auch, weil er anders spielt als sie. Mit neun Jahren hatte ihn sein Trainer zur Abwehr gebracht. „Wie es sich nun zeigt“, sagt Filus heute, „war das eine gute Idee.“

Jörg Petrasch[Stuttgart]

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