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Mal mit Kontrolle, mal mit Risiko. Timo Boll variierte seine Rückschläge gegen den Chinesen Chen Qi geschickt und gewann mit 4:1-Sätzen.

© Reuters

Tischtennis-WM: Timo Boll: Terrier an der Platte

Timo Boll zieht ins Halbfinale ein und hat seine erste WM-Medaille im Tischtennis-Einzel sicher. Es ist die erste Medaille im Einzel für Deutschland bei einer WM seit 42 Jahren.

Zu sehen gab es nur einen Wartenden, aber das reichte schon für einen Aufschrei der Begeisterung. Als auf der Videowand der Ahoy-Arena von Rotterdam Timo Boll erschien, wie er sich kauend die Zeit vertrieb, fing ein Großteil der 8000 Zuschauer an zu jubeln. Gleich würde doch noch einer in die Halle kommen und sie nicht alleine lassen mit den perfekt spielenden Chinesen. In allen Wettbewerben dieser Tischtennis-WM, ob Einzel oder Doppel, Frauen oder Männer, war Boll als einziger Teilnehmer übrig geblieben, der nicht aus China kommt. Und die Sehnsucht der Zuschauer verband sich mit Bolls persönlichen Wunsch, endlich seine erste Einzelmedaille bei einer WM zu gewinnen. Eine Dreiviertelstunde und einen Viertelfinalsieg später hatte Boll Bronze durch den Einzug ins Halbfinale schon sicher, es ist die erste Medaille im Einzel für Deutschland bei einer WM seit 42 Jahren, als Eberhard Schöler in München mit seinem Abwehrspiel erst im Finale unterlag.

Nach dem verwandelten Matchball schleuderte Boll erst eine Faust in die Luft und dann die zweite, die noch den Schläger hielt. Keine ekstatische Freude, eher ein Gefühl von Glück und Erleichterung, wie er kurz danach schilderte: „Es war schon ein kleiner Makel, der auf meiner Karriere lag und es war schon bitter, dass ich bei einer Weltmeisterschaft bisher nie so richtig gut gespielt habe.“ Und über seine Leistung sagte er: „Ich habe sehr, sehr solides Tischtennis gespielt.“

Zweimal schon stand Boll an der Spitze der Weltrangliste, nur hatte er bei einer WM mal knapp verloren, mal die falsche Taktik oder nicht die richtige Form. Seine Auszeichnung musste er sich nun erst verdienen – gegen einen Chinesen, wie sich das gehört im Tischtennis. Mit Chen Qi hatte ihm die Auslosung in Rotterdam zwar nicht den stärksten Chinesen im Viertelfinale vorgesetzt, aber was heißt das schon? Olympiasieger im Doppel ist Chen Qi und Weltmeister mit der Mannschaft und im Doppel, nur eine Einzelmedaille fehlte ihm bislang, genau wie Boll.

Mit Bundestrainer Jörg Roßkopf spielte sich Boll vor dem Spiel ein, denn der ist wie Chen Qi Linkshänder. Chen Qi muss im Training des chinesischen Nationalteams regelmäßig den Stil des Linkshänders Boll imitieren, um seine Kollegen auf ihren größten Herausforderer vorzubereiten. Besser hätte Boll sein Viertelfinale nicht beginnen können. Vor Chens Aufschlägen schien er keine Angst zu haben, er nahm sie teils kontrolliert, teils risikoreit an. Den ersten Satz gewann Boll schnell 11:5. Im zweiten Satz lag Boll auf einmal 0:7 hinten und verlor 5:11. „Ich bin zum Glück dran geblieben“, sagte Boll und gab sich selbst einen Namen: „Terrier“. Er knüpfte am Konzept des ersten Satzes an, Chen Qi mit präzisen Rückschlägen nicht ins Spiel kommen zu lassen. Und wenn der Chinese doch einmal einen seiner gefürchteten Vorhand-Topspins abfeuerte, hielt er am Tisch reaktionsschnell dagegen. Sein 4:1-Sieg war die erste Niederlage für die Chinesen im Einzel bei dieser WM. Zuvor hatten sie sich nur untereinander aus dem Wettbewerb geworfen.

Im Halbfinale an diesem Sonntagvormittag trifft Boll nun auf Zhang Jike. Gegen ihn hatte er zuletzt zweimal verloren, der Chinese spielt einen kompromisslosen Angriff, ist wohl der athletischste Spieler der Chinesen und hat die härteste Rückhand. „Ich muss die Anspannung jetzt beibehalten“, sagte Boll, die WM sei schließlich nicht vorbei, nur weil er eine Medaille gewonnen habe. Es gibt schließlich noch mehr zu gewinnen, und was zu tun ist für den Titel, hat Boll 2005 beim World Cup in Lüttich schon einmal geschafft: drei Chinesen innerhalb von 24 Stunden besiegen.

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