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Sport: Tod im Winter

Es sind die Bilder vom Wochenende: Regine Cavagnoud strahlte nach ihrem dritten Platz zum Auftakt der Saison im Ski-Weltcup. Ein starker zweiter Lauf hatte ihr diesen Erfolg im Riesenslalom von Sölden ermöglicht, einen Erfolg, der ihr große Hoffnungen für die Olympischen Spiele in Salt Lake City im Februar machte.

Es sind die Bilder vom Wochenende: Regine Cavagnoud strahlte nach ihrem dritten Platz zum Auftakt der Saison im Ski-Weltcup. Ein starker zweiter Lauf hatte ihr diesen Erfolg im Riesenslalom von Sölden ermöglicht, einen Erfolg, der ihr große Hoffnungen für die Olympischen Spiele in Salt Lake City im Februar machte. Gestern wurden die Bilder immer wieder im französischen Fernsehen gezeigt. Sie erinnerten an eine große Skifahrerin, die ihre Leidenschaft mit dem Leben bezahlte. Regine Cavagnoud starb gestern Morgen an den schweren Kopfverletzungen, die sie am Montag beim Training auf dem Pitztaler Gletscher bei einem Zusammenprall mit dem deutschen Nachwuchstrainer Markus Anwander erlitten hatte. Die Weltmeisterin im Super-G wurde 31 Jahre alt. Der alpine Skirennsport beklagt damit den ersten Todesfall einer Weltcup-Läuferin, seit im Januar 1994 die Österreicherin Ulrike Maier bei der Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen ums Leben kam.

Im Beisein von Cavagnouds Familie schalteten die Ärzte auf der Intensivstation am Mittwochmorgen um 9.40 Uhr die Apparate ab, die die Französin trotz schwerster Verletzungen vor allem des Gehirns bis dahin am Leben gehalten hatten. "Unsere Untersuchungen am Dienstag und Mittwoch haben ergeben, dass das Gehirn von Regine Cavagnoud überhaupt nicht mehr arbeitet", sagte Professor Wolfgang Koller, Leiter der traumatologischen Intensivstation.

Premierminister Lionel Jospin sagte in der Pause einer Parlamentssitzung, der Tod der in den letzten Jahren erfolgreichsten und bekanntesten Sportlerin Frankreichs sei eine "entsetzliche Nachricht". Jospin betonte besonders den Kampfgeist der Skiläuferin, deren erklärtes Ziel es war, bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City im Super-G Gold zu holen. "Eine so schöne und sportlich so ehrgeizige Frau, die ihr sportliches Talent trotz vieler Rückschläge nie verleugnete, die der Versuchung immer widerstand, ihre Karriere abzubrechen und bis zum Ende kämpfen wollte" - so schilderte Jospin Regine Cavagnoud, auf die ganz Frankreich für die nächsten Winterspiele seine Hoffnungen setzte. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac schrieb in einem Beileidstelegramm an die Eltern der Sportlerin, er sende ihnen im Namen aller Franzosen seine tiefe Anteilnahme angesichts dieses grausamen und dramatischen Ereignisses. Frankreichs Sportministerin Marie-George Buffet sagte, sie habe bis zum Schluss gehofft, dass es Cavagnoud schafft. "Mit Regines Tod hat der französische Skisport einen großen Champion verloren. Dieses grausame Ereignis erinnert daran, dass der Sport nicht nur Vergnügen bereitet, sondern auch Risiken birgt.

Cavagnouds Tod löste vor allem in ihrer Heimat große Bestürzung aus. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac schrieb an Cavagnouds Eltern: "Der französische Sport hat einen seiner großen Champions verloren. Regine hat mit ihrer grenzenlosen Güte und ihrem ungewöhnlichen Mut in schwierigen Situationen ein Zeichen im Skisport gesetzt." Sportministerin Marie-Georges Buffet brachte ihre "tiefe Traurigkeit" zum Ausdruck und forderte die Behörden auf, schnell die Unfallsursache zu ermitteln.

"Das ist ein brutaler Schock für mich. Ich habe so gehofft. Nicht nur ich, alle, die sie jahrelang im Weltcup gekannt haben, sind wahnsinnig traurig", sagte die deutsche Weltmeisterin Martina Ertl.

Wie es zu dem Unfall kommen konnte, untersucht bereits die österreichische Staatsanwaltschaft, die ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet und eine Autopsie der Toten beantragt hat. "Es ist anzunehmen, dass einer schlampig gearbeitet hat", erklärte Rudolf Koll, Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck. Er widersprach der Annahme, der deutsche Trainer sei in den Augen der Ermittler der Schuldige: "Das wage ich derzeit überhaupt nicht zu behaupten." Vielmehr müsse herausgefunden werden, so Koll, wer zu verantworten habe, dass Anwander auf der Piste stand.

Cavagnoud, die am vergangenen Samstag beim Weltcup-Auftakt in Sölden überraschend Rang drei im Riesenslalom belegt hatte, war am Montag auf einer gemeinsamen Trainingsstrecke der französischen Weltcup- und der deutschen Europacup-Mannschaft in voller Fahrt mit Anwander zusammengeprallt. Der deutsche Trainer wollte zu diesem Zeitpunkt die Piste präparieren. "Nach der vierten Läuferin war eine Präparierungsphase vereinbart. Kein deutsches Mannschaftsmitglied wusste, dass Regine noch kommt", sagte Walter Vogel, Alpinchef des DSV. Anwander erlitt bei dem Zusammenprall innere Verletzungen sowie einen Kiefer- und einen Schädelbasisbruch. Der Zustand des 40-Jährigen, der in einem künstlichen Koma gehalten wird, ist nach Auskunft der behandelnden Ärzte ernst, aber stabil. Am Mittwoch musste sich der Garmischer einer Operation an der Halswirbelsäule unterziehen. Professor Koller sagte, es gebe weiter "ein kleines Risiko", dass Anwander an den Folgen seiner Verletzungen sterben könne, "aber das Risiko nimmt ab".

Als Unfallursache wurden von beiden Mannschaften, die keine gemeinsame Funkfrequenz benutzten, Probleme bei der Verständigung genannt. "Eine gemeinsame Funkfrequenz wird nie benutzt", sagt Vogel: "Vor so einem gemeinsamen Training werden aber klare Absprachen getroffen." Beide Mannschaften hätten vereinbart, dass Anwander nach der vierten Läuferin über die Piste rutschten sollte.

Geklärt ist mittlerweile, dass Cavagnoud einen Helm trug. Dies geht aus den Aussagen hervor, die der Augenzeuge Tobias Lux gegenüber den Behörden machte. Der Assistent von Anwander hatte vergeblich versucht, seinen Chef durch Zurufe auf das drohende Unheil aufmerksam zu machen.

Sabine Heimgärtner

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