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Sport: Torlos glücklich

Barcelona feiert den ersten Einzug ins Champions-League-Finale seit zwölf Jahren

In Barcelona wurde schon ausgiebig gefeiert. Ein 0:0 hatte dem FC Barcelona am Mittwoch im Halbfinal-Rückspiel gegen den AC Mailand gereicht, um das Finale der Champions League zu erreichen – erstmals seit zwölf Jahren. Und so bejubelten 98 000 Zuschauer in Camp Nou ein torloses Spiel so ausschweifend, als habe der traditionsreiche Fußballklub schon den Endspielsieg geschafft. Bis tief in die Nacht wurde im Zentrum von Barcelona noch gefeiert, beim AC Mailand dagegen war die Frustration groß. Die Italiener, die das Hinspiel in Mailand 0:1 verloren hatten, suchten die Schuld beim Schiedsrichter. Markus Merk aus Kaiserslautern hatte einen Kopfballtreffer von Andrej Schewtschenko wegen eines vermeintlichen vorangegangenen Fouls des Ukrainers nicht gegeben.

„Der Deutsche hat uns um den verdienten Einzug ins Finale gebracht“, sagte Carlo Ancelotti. Der Trainer aus Mailand erklärte seine Mannschaft gar zum moralischen Sieger und bewies trotz des für ihn deprimierenden Erlebnisses immerhin einen gewissen Humor. „Merk hat ja sogar auch noch 30 Sekunden zu früh abgepfiffen“, sagte Ancelotti. „Vielleicht hatte er es eilig, nach Hause zu kommen.“ Während Ancelotti noch zeterte, dachte sein Trainerkollege Frank Rijkaard schon voraus. Im Finale treffen die Spanier nun auf den FC Arsenal. „Da gibt es keinen Favoriten“, sagte der Holländer, der 1994 noch für den AC Mailand gespielt hat.

Der Trainer aus London war am Mittwochabend auch im Stadion von Barcelona gewesen. Was er gesehen hatte, habe ihn beeindruckt, sagte Arsène Wenger. „Ronaldinho kann in jedem Moment etwas Besonderes veranstalten“, sagte Arsenals Coach. „Aber ich habe auch einige Dinge bei Barcelona gesehen, die mir Mut machen.“ Die Offensivabteilung von Barcelona habe ihn nicht erschreckt, sagte Wenger. Tatsächlich wird sich der spanische Meister gegen Arsenal wohl im Angriff und im Abschluss ein wenig mehr einfallen lassen müssen als gegen den AC Mailand. Denn immerhin ist Jens Lehmann, der deutsche Torhüter in Diensten der Londoner, in der Champions League seit 745 Minuten ohne Gegentor. Wohl auch deshalb sagte Wenger: „Das Wichtigste ist, dass wir an uns glauben.“

Das machen sie beim Finalgegner allerdings auch. Barcelonas Manager Txiki Beguiristain sagte nach dem 0:0 gegen Mailand: „Wir sind stark genug, um auch Arsenal zu schlagen.“ Allerdings werden die Katalanen beim Finale in Paris wohl nicht auf eine derartige akustische Unterstützung ihrer Fans bauen können wie am Mittwochabend in Barcelona, als die fast 100 000 Fans eine fantastische Stimmung kreierten. Sie ehrten damit auch Ronaldinho – den Star des Abends, der mit genialen Pässen dem Spiel immer wieder eine überraschende Wendung zu geben verstand.

In der Tat hatten die Zuschauer eine trotz fehlender Tore hochklassige und temporeiche Partie gesehen und am Ende einen Prestigeerfolg für den spanischen Fußball bejubelt – was bei einem Erfolg des Klubs aus der katalanischen Hauptstadt nicht unbedingt selbstverständlich ist. Das Spiel war auch im Fernsehen am Mittwoch der absolute Quotenhit und beeinflusste sogar die Arbeit des Parlaments: Die Sozialisten, eigentlich in der Mehrheit, verloren im Oberhaus eine Abstimmung nur deshalb, weil mehrere ihrer Abgeordneten vorm Fernseher saßen und Fußball schauten.

Steve Tongue[Barcelona]

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