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Torwärte: Die Welt zwischen den Pfosten

Es ist eine Fußball-Selbsthilfegruppe, die sich am Freitag in der Münchener Arena versammelt hat. 200 Torhüter diskutieren dort über ihren Beruf

Es ist eine Fußball-Selbsthilfegruppe, die sich am Freitag in der Münchener Arena versammelt hat. Darauf deuten zumindest die Sätze hin, welche die Selbsthilfegruppenleiter Andreas Köpke, Jörg Stiel, Jean-Marie Pfaff und Jens Lehmann an diesem Vormittag immer wieder ähnlich aussprechen: Unsereins soll endlich den gebührenden Stellenwert zuerkannt bekommen! Unsereins – das sind die Torhüter. In ihren Augen wurde ihre Position bisher eher vernachlässigt, vor allem was Training und Ausbildung betrifft. Damit sich das ändert, haben sich gut 200 Aktive, Torwarttrainer und sonstige Interessierte aus mehr als 30 Ländern zum Internationalen Torwartkongress getroffen, um sich ihres Stellenwerts bewusst zu werden.

Zwei Tage lang soll die Bewusstwerdung dauern. Vorträgen von Bundestorwarttrainer Köpke, Lehmann, Pfaff und Stiel folgten am Freitagnachmittag Diskussionen zu Themen, die den Torwart von heute berühren: Ernährung, Psychologie, die eigene Internetseite und das Verhalten gegenüber den Medien. Der ehemalige Schweizer Nationaltorwart Jörg Stiel stellt heraus, wie sehr sich die Position verändert hat: „Vor zwanzig Jahren gab es noch den Linientorhüter, vor zehn Jahren fiel zum ersten Mal das Wort Strafraumbeherrschung. Heute müssen Torhüter einen Raum von 30 Metern vor dem Tor abdecken.“ Entsprechend hoch sind die Anforderungen: „Ein Torwart muss mit links wie rechts spielen können, ein moderner Libero sein, Bälle abfangen, Angriffe einleiten und eine Persönlichkeit sein“, zählt Andreas Köpke auf. Auch wegen dieses Profils fordern manche Torhüter seit längerem eine bessere Ausbildung für sich, die unter anderem mehr Wert auf ihre Spielfähigkeiten legt. Stiel findet zum Beispiel, dass Torhüter einmal pro Woche im Training auf dem Feld spielen sollten.

Natürlich ist auch viel von Mentalem die Rede, auch wenn Oliver Kahn der Einladung zur Tagung nicht gefolgt ist. Einen überraschenden Schluss zieht dabei Jens Lehmann: Er würde jungen Torhütern nicht empfehlen, nach England zu gehen. Die würden dort nämlich aus der Schule genommen, was der Bildung, einer Keeper-Kernkompetenz schade: „Die Schule war für mich der einzige Ort, an dem ich lernte, mich zu konzentrieren.“

Mehr spielen, mehr Schule, dazu noch mehr Schnellkrafttraining, wie Stiel es fordert – das sind die konkreten Wünsche der Torhüter. Dazu noch ein abstrakter, dessen Erfüllung allen hier irgendwie gut tun würde: „Der Respekt vor den Torhütern ist noch nicht da“, sagt der ehemalige Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff. Der Kongress sei gut, um diesen Respekt zu bekommen. Deshalb werde er auch 2010 wieder teilnehmen. „Ich stehe hinter euch“, sagt Pfaff. Gut zu wissen, der Mann war immerhin mal Welttorhüter.

Martin Gropp[München]

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