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White Hart Kane. Tottenhams Harry Kane (Mitte, gegen Arsenals Per Mertesacker) reifte im Stadion an der White Hart Lane zu Englands Stürmerhoffnung.

© Reuters/Childs

Tottenham Hotspur: Das Vorbild heißt Borussia Dortmund

Tottenham Hotspur erinnert als Überraschungsteam in England in vielem an Borussia Dortmund. Heute treffen sich beide im Europa-League-Achtelfinale.

Steffen Freund war sauer. Man habe ihm sein Traumfinale gestohlen, twitterte er kurz nach der Auslosung des Europa-League-Achtelfinals. Als Spieler war der gebürtige Brandenburger bei Borussia Dortmund und Tottenham Hotspur aktiv. Dass der BVB und die Spurs so früh in der Europa-League-Saison aufeinander treffen, das wollte Freund gerade nicht sehen.

Der frühere Nationalspieler war nicht alleine mit dem Gedanken. Wenn Tottenham am Donnerstagabend (19 Uhr/Sky) zum Achtelfinalhinspiel im Dortmunder Stadion aufläuft, wird es eine Partie, deren Glanz eher zu einem großen Finale passt: der Zweite der Bundesliga gegen den Zweiten der Premier League.

Vieles haben diese zwei Traditionsvereine gemeinsam. In den Sechzigerjahren etwa wurden beide Klubs zu den ersten Europapokalsiegern ihres Landes. In der jüngeren Geschichte haben sich die Wege jedoch getrennt. Während der BVB zuletzt um die großen Titel mitspielte, ist Tottenham seit Jahren dafür bekannt, der stolzen Historie nicht gerecht zu werden. Seit Gründung der Premier League 1992 gehören die Spurs bestenfalls zum äußeren Rande der englischen Elite.

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Spätestens seit Beginn diesen Jahres ist aber alles anders. Nun spielt Tottenham wieder um den englischen Titel mit. Nach der Achtelfinal-Auslosung beschrieb Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc Tottenham nicht umsonst als „die schwierigste Aufgabe, die wir bekommen konnten“. Die Spurs sind wieder in der Erfolgsspur. Geschafft haben sie den Aufschwung durch ein Modell, das vor allem an Borussia Dortmund erinnert.

Seit fast zwei Jahren sitzt der Argentinier Mauricio Pochettino auf der Trainerbank an der White Hart Lane. Zusammen mit dem von den Fans jahrelang misstrauisch begutachteten Vereinsvorsitzenden Daniel Levy hat Pochettino ein fußballerisches Projekt ins Rollen gebracht, das sich mit der damaligen Wiederauferstehung Dortmunds unter Jürgen Klopp und Michael Zorc vergleichen lässt.

Seit Pochettinos Ankunft ist Schluss mit der chaotischen Transferpolitik. Teure Fehleinkäufe wie Paulinho, Lewis Holtby und Roberto Soldado wurden aussortiert. Ersetzt wurden sie durch die besten Talente aus dem eigenen Nachwuchs wie Harry Kane oder Danny Rose. Dazu kamen Jungstars wie Dele Alli und Ben Davies von anderen englischen Klubs. Wo es noch Lücken gab, wurden sie mit cleverem Scouting im Ausland gefüllt. So kamen die früheren Bundesligaspieler Kevin Wimmer aus Köln und Heung-Min Son aus Leverkusen nach Nordlondon.

Tottenhams Spielweise beeindruckt auch Pep Guardiola

Pochettino hat so eine Mannschaft zusammengestellt, die seine Spielweise konsequent umsetzt. Es ist eine Spielweise, die unter anderem Pep Guardiola beeindruckt hat: „Manche Teams warten auf dich. Andere, wie diese, kommen auf dich zu“, hat Guardiola einmal über Espanyol Barcelona gesagt, als Pochettino dort Trainer war. Genauso ist es nun mit Tottenham, das seine Gegner mit energischem Pressing und schnellem Umschaltspiel jagt. Das erinnert an Klopp: ein Vergleich, den Pochettino selber ablehnt. „Unser Pressing geht bis hin zum gegnerischen Torwart“, sagte er, „Klopps Dortmund hat eher im Mittelfeld Druck gemacht.“ Doch für den taktischen Laien sind das rauschende Tempo und die dynamische Power beider Teams verblüffend ähnlich. Tottenhams Spielweise begeistert auf vielen Ebenen in der selben Art und Weise, wie damals Dortmund unter Klopp.

So ist auch Tottenham zum Liebling der neutralen Zuschauer geworden. Sollte die märchenhafte Geschichte von Überraschungstabellenführer Leicester City kein Happy End finden, würden viele Fans in England den Spurs den Titel gönnen – weil sie auf junge, einheimische Spieler setzen. Der 19-jährige Mittelfeldmann Dele Alli hätte als größtes englisches Talent seiner Generation wohl bei keinem anderen Topklub einen Platz in der Startelf gefunden. Linksverteidiger Danny Rose wird mit 25 Jahren dank Pochettinos Vertrauen endlich seinem Potenzial gerecht.

Am meisten überraschte aber Harry Kane, der nur einen Katzensprung entfernt von der White Hart Lane aufwuchs. Unter Pochettino ist der 22-Jährige vom Nordlondoner Nobody zur Stürmerhoffnung der Nation aufgestiegen. Kane geht mit dem Druck gut um. Und stellte zuletzt mit einem atemberaubenden Weitschusstor aus spitzen Winkel gegen Arsenal sein Genie unter Beweis. Vor Kane dürfte der BVB Respekt haben. Und vor einer Mannschaft, die in den letzten zwei Jahren nach Dortmunder Ebenbild geschaffen wurde.

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