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Sport: Tour de France: "Danke. Ist gut."

Auch das letzte Prestigeduell hat Jan Ullrich gegen Lance Armstrong verloren. Doch das Wort "enttäuscht" wollte der Telekom-Star nicht hören, obwohl er im 61 km langen Zeitfahren hinter dem phänomenalen Amerikaner und dem Spanier Igor Gonzales Galdeano sogar nur Dritter geworden war.

Auch das letzte Prestigeduell hat Jan Ullrich gegen Lance Armstrong verloren. Doch das Wort "enttäuscht" wollte der Telekom-Star nicht hören, obwohl er im 61 km langen Zeitfahren hinter dem phänomenalen Amerikaner und dem Spanier Igor Gonzales Galdeano sogar nur Dritter geworden war. Wenn Ullrich denn Trost gebraucht hätte vor allem wegen des so deutlichen Rückstandes von 1:39 Minuten, Armstrongs Kommentar nach seinem vierten Etappensieg dieser Tour de France hätte Trost gespendet.

Zum Thema Tour total: Das Online Spezial zur Tour de France 2001 Tour aktuell: Gesamtwertung und Etappensieger Grafik: Etappen und Streckenprofile Foto-Tour: Bilder von der "Großen Schleife" "Ich habe mit dem Sieg gerechnet. Doch noch nie habe ich mich bei einem Zeitfahren so gut gefühlt. Das war etwas Besonderes. Schon beim Warmmachen habe ich gespürt: Die Beine sind großartig. Es war eine Leistung, und da stimmt mir unser sportlicher Leiter Johan Bruyneel, der viele, viele Zeitfahren auf diesem Niveau gesehen hat, zu: So etwas hat man vorher noch nie gesehen." Beim Warmtreten schäkerte Armstrong mit seinem Sohn Luke auf dem Arm seiner Frau Kristin. Noch auf der Startrampe signierte er einem Kommissar seine Autobiografie. Lance Armstrong war wirklich gut drauf und legte mit seinem schnellen, flüssigen, so leichtfüßigen Tritt los, als habe er einen Turbo im Sattel. Schwer und mühsam trat dagegen Ullrich. Ein ungewohntes Bild. Der Spezialist im Kampf gegen die Uhr und den inneren Schweinehund ackerte, stampfte und fand überhaupt keinen Rhythmus. An die acht- bis zehnmal, berichtete Sportdirektor Pevenage, habe Ullrich ganz aufgehört zu treten und sich aufgerichtet. "So oft habe ich das bei ihm noch nie gesehen."

Doch es waren keine Rückenschmerzen vom Sturz in den Pyrenäen, wie Pevenage vermutete. Ullrichs Erklärung: "Ich glaube, so gekämpft habe ich noch nie. Aber zwei waren eben besser. Ich bin total kaputt und trotzdem happy über meinen zweiten Platz im Klassement. Wenn man eine Stunde und sechzehn Minuten nur am Anschlag fährt, bekommt man mal Probleme. Ich hatte Sitzbeschwerden. Die Muskeln taten weh. Ich habe versucht, im Stehen zu treten. Das kann ich nicht lange, und deswegen sah das auch ein bisschen komisch aus. Ich hatte Schmerzen in den Beinen." Ungewohnt auch: Der Merdinger, der Hitze liebt, stöhnte über die drückende Schwüle (35 Grad): "Es war mächtig heiß." Im letzten Jahr hatte Ullrich 25 Sekunden gegen Armstrong eingebüßt. Dass es diesmal 1:39 Minuten waren, mag auf die Überlegenheit Armstrongs auf dem absoluten Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit zurückzuführen sein. Aber: Ullrich unterlag erstmals dem Spanier Igor Gonzales Galdeano, seinem Rivalen beim Sieg in der Vuelta vor zwei Jahren. Die 15 Sekunden, die Ullrich langsamer war, sind ein Indiz: In der dritten Tourwoche ist Ullrich schwächer als im vergangenen Jahr - Folge der Anstrengungen und Attacken auf Armstrong im Gebirge. So fährt denn der Amerikaner auch mit einem größeren Vorsprung vor Ullrich Paris und seinem dritten Toursieg entgegen. 2000 waren es 6:02 Minuten, diesmal sind es 6:44 Minuten. Auch der dritte Podiumsplatz ist so gut wie vergeben an den Spanier Joseba Beloki (Sechster, 2:32 zurück), der erwartungsgemäß den Kasachen Andrei Kiwilew vom dritten Platz verdrängte.

Damit werden am Sonntag auf den Champs Elysees dieselben drei auf dem Podium stehen: Lance Armstrong im "maillot jaune", Jan Ullrich zum vierten Mal auf dem zweiten Podest, Joseba Beloki wieder auf der dritten Stufe - mit 2:21 Minuten deutlich von dem Deutschen distanziert.

Armstrong raste in 1:14:16 Stunden über den welligen Kurs und erzielte mit seinem wirbelnden Tritt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,282 km. Schon nach der ersten Zwischenzeit, nach 21,5 km, war Armstrong 25 Sekunden schneller, obwohl Ullrich auf der flachen und geraden Nationalstraße 144 das erste Drittel in vollem Tempo angegangen war. Als ihm Pevenage über Funk den Abstand mitteilte, antwortete Ullrich: "Danke. Ist gut." Es klang wie Resignation. Nach der 43-Km-Marke hatte Ullrich 1:23 Minuten auf Armstrong und 22 Sekunden auf Galdeano verloren. Als er zehn Kilometer vor dem Ziel den drei Minuten vor ihm gestarteten Kiwilew einholte, mag ihn das Überholen noch einmal beflügelt haben. Ullrich machte ein paar Sekunden gegen Galdeano gut.

Das Wort "enttäuscht" fiel dann doch. Rudy Pevenage sprach es aus. "Natürlich bin ich enttäuscht. Ich hatte erwartet, dass Jan Zweiter wird und eine Minute weniger auf Armstrong verliert."

Hartmut Scherzer

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