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Tour der Leiden. Tony Martin stürzte auf der ersten Etappe schwer. Foto: AFP

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Tour de France: Fleisch auf Straße

Lädiert und verletzt: Viele Radprofis kämpfen beim Teamzeitfahren der Tour mit Schmerzen.

Die Cote d’Azur ist mit Sanatorien für die Besserverdienenden dieser Welt gut ausgestattet. Manchem Fahrer der Tour de France wäre bei der Ankunft in Nizza ein Aufenthalt in einer dieser Heilstätten auch lieber gewesen als die Fortführung der Tour-Strapazen. Denn die Radrennfahrer haben in den ersten drei Tagen durch schmerzhafte Berührungen mit dem korsischen Straßenbelag ungewöhnlich viel Blut, Fleisch und Haut verloren.

Der erste Sturz ist noch relativ glimpflich verlaufen. Chris Froome legte sich auf dem Weg zum Start der ersten Etappe hin. Seitdem ist der gebürtige Kenianer so vorsichtig, dass er auf der Cote du Salario 13 Kilometer vor dem Ziel der zweiten Etappe der Tour heftig in die Pedalen trat, um als Erster in die Abfahrt zu kommen. „Ich wollte keine Zeit gewinnen, ich wollte nur nicht in einen Sturz bei dieser engen Abfahrt verwickelt werden“, erklärte er später die Aktion, die sogar seinen Teamchef Dave Brailsford überraschte.

Chris Froome konnte daher beim Teamzeitfahren am Dienstag alle seine Kräfte mobilisieren – im Gegensatz zu zwei Kollegen im Sky-Rennteam. Ian Stannard, letztjähriger britischer Landesmeister, und der Waliser Geraint Thomas fielen nach Stürzen aus. Thomas war so lädiert, dass er sein linkes Bein nur mit fremder Hilfe über die Querstange seines Rads brachte. Womöglich ist der Ausfall der beiden auch der Grund, weshalb das Sky-Tem zwei Sekunden hinter Tony Martins Team Omega ins Ziel kam.

Doch auch Martins Team ist lädiert. Der Zeitfahrweltmeister hatte große Stücke Haut von Rücken, Gesäß und etwas Fleisch vom Ellenbogen auf den Straßen von Bastia gelassen. Wegen der vielen Bandagen ähnelte er eher einer Mumie als einem Rennfahrer. Trotzdem hatte er sich über die korsischen Berge gekämpft und einen neuen Titel als Weltmeister im Schmerzaushalten verdient. Sein Teamchef Patrick Lefevere sagte zwar trocken: „Ich habe schon viel schlimmere Dinge gesehen, einen Fahrer etwa, der mit 31 Stichen genäht wurde und trotzdem Rennen fuhr“. Weil Martin letztes Jahr aber mit einem gebrochenen Kahnbein noch bei der Tour geblieben war, gebührt ihm ein besonderer Respekt als Leidensmann. Seinen Anteil an den ersten Bestzeiten vom Team Omega schätzte Martin wegen der Blessuren dann auch als „geringer ein als bei der WM“. Da hatte Martin seine Kollegen zum Mannschaftstitel gejagt. Jetzt war es eher andersherum. „Die anderen haben so gute Arbeit geleistet, dass ich nicht extra herausragen musste“, merkte Martin nach dem Zieleinlauf in Nizza an.

Auch Team Garmin, stets ein Siegeskandidat bei Mannschaftszeitfahren, war nicht mehr bei vollen Kräften. Ryder Hesjedal, Überraschungssieger beim Giro d’Italia 2012, war auf Korsika gestürzt, weil Berufskollegen in Absperrungen gerast waren. Der Kanadier beschwerte sich danach über „mangelhaft platzierte Absperrungen“ und „Defizite im Fahrradfahren“ bei einigen Kollegen. Das Team Garmin blieb 16 Sekunden hinter Omega zurück.

Der zweifelhafte Ruhm für den wohl spektakulärsten Crash aber gebührt Johnny Hoogerland. Der Niederländer flog wie ein Stuntman durch eine Werbebande. Er stand danach wieder auf, stieg aufs Rad und ließ sich erst im Ziel vom Teamarzt nähen. Für Hoogerland war dies nur eine Lappalie. Der Holländer war bei der Tour 2011 von einem Auto des französischen Fernsehens über den Haufen gefahren worden und geriet in diesem Frühjahr beim Training erneut unter die Räder. Ein Autofahrer hatte ihn beim Wendemanöver übersehen.

Während der Holländer Hoogerland eindeutig der Crash-König der aktuellen Radsportszene ist, gebührt Tony Martin der Titel des Versehrten, der sogar noch um Spitzenplätze mitfahren kann. Sein Team Omega hielt am Dienstag mit den Topfavoriten Sky und Garmin mit und fuhr im Mannschaftszeitfahren nur knapp hinter Orica GreenEdge auf Rang zwei.

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