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Sektchen gefällig? Egan Bernal stößt mit seinen Betreuern an.

© REUTERS

Tour de France: Mit Sieger Egan Bernal feiert ganz Kolumbien

Egan Bernal versetzt ganz Kolumbien in Feierlaune. Noch lange vor der Zieleinfahrt in Paris gönnt er sich am Sonntag das erste Glas Sekt.

Die Stimmung war ausgelassen, Fahnen in den Farben gelb, blau und rot wurden geschwenkt. Der Lärm von Tröten und Trommeln erfüllte die Luft. „Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das jetzt erst in der Heimat ist. Ganz Kolumbien tanzt, trinkt und lacht jetzt“, sagte Mauricio Menendez im Angesichts des Triumphes von Landsmann Egan Bernal bei der Tour de France beseelt. Der Fan aus Bogotá äußerte auch einen Wunsch: „Ich möchte, dass in unserem Land keiner mehr erschossen wird, dass Frieden herrscht und alle glücklich leben können.“

Und so wirkten die Ereignisse bei der Tour geradezu trivial. Der Radsport allerdings ist auch ein gesellschaftlicher Motor in Kolumbien. Das Sportministerium steckt immer wieder Geld in Radsportteams. Velodrome sind im ganzen Land verteilt, Radsportakademien werden finanziert, und es vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht über alle Altersklassen hinweg Wettkämpfe auf der Straße, im Gelände und auf der Bahn ausgetragen werden. Hinzu kommt der Anreiz für viele junge Burschen, mit Hilfe des Radsports einen sozialen Aufstieg hinzulegen. Männer wie Nairo Quintana, Tourzweiter 2013 und 2015, und Rigoberto Uran, Tourzweiter 2017, sind in ihrer Heimat hochgeachtete Persönlichkeiten. Minister und Gouverneure treffen sich mit ihnen. Rennen werden zu ihren Ehren organisiert und auf ihren Wunsch Sportförderprogramme für die nächste Generation entwickelt.

Bei Egan Bernal war die Sache etwas komplizierter. Zwar war sein Vater German auch Radsportler. Er wollte aber lieber seinen Filius vor den Schwierigkeiten und Entbehrungen bewahren, die dieser Sport so mit sich bringt.

Vater German muss daher glücklich gewesen sein, als Egan als 16-Jähriger eine Ausbildung begann. „Ich habe damals mit dem Radsport aufgehört und wollte Journalist werden“, erzählte der designierte Tour-Champion am Tag vor der finalen Etappe Richtung Paris. Pech für die Journalistenkarriere war nur, dass der Studienort 22 Kilometer von Bernals Wohnort entfernt war. „Er fuhr diese 44 Kilometer – 22 hin, 22 zurück – tagtäglich mit dem Fahrrad“, erzählte schmunzelnd sein Trainer Pablo Mazuera in Val Thorens. Mazuera betreut Bernal seit dessen 12. Lebensjahr. Die Leichtigkeit, mit der Bernal offenbar den Weg zum Hörsaal absolvierte, half Mazuera, den angehenden Journalisten davon zu überzeugen, doch eher sein Talent im Radsport weiter zu entwickeln. „Ohne Pablo wäre ich nicht hier“, sagte Bernal auf der Pressekonferenz. Und Mazuera, mit einer Presseakkreditierung ebenfalls anwesend, strahlte.

Es mussten dann noch einige Hürden überwunden werden, bis Bernals Weg in den Weltradsport gebahnt war. Der Dritte der Juniorenweltmeisterschaften im Mountainbike 2015 erzielte, wie Mazuera erzählt, bei einem Belastungstest im Trainingszentrum Aigle zwar die besten Werte, die dort jemals in dieser Altersklasse gemessen wurden. „Aber es wollte ihn kein europäisches Mountainbike-Team haben“, sagte der Coach. Über den italienischen Straßenrennstall Androni Giocattoli ging es dann zu Team Sky. Die Briten hatten bereits Erfahrung mit kolumbianischen Rennfahrern. Unter anderem Rigoberto Uran fuhr dort, als Rundfahrtkapitän vor der Ära Wiggins. Jetzt ist Bernal als 22-Jähriger dort Chef im Ring.

Das eher löchrige Dopingkontrollnetz in der alten Heimat bevorteilte Bernal übrigens nicht. Seit 2016 unterliegt er dem Kontrollregime des Weltverbandes UCI, das bedeutet zumindest Waffengleichheit mit den Teamkollegen Froome und Thomas.

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