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Kirchen

© dpa

Tour de France: T-Mobile in neuen Kleidern

Kim Kirchen vom T-Mobile-Nachfolgerteam Columbia hat das Gelbe Trikot ergattert – ein fast logischer Erfolg.

Stefan Schumacher hatte sich durch das französische Zentralmassiv wacker geschlagen und nun, nach fünf Stunden im Sattel, konnte er sich auf seinen dritten Tag im Gelben Trikot freuen. Der Zielstrich im Retorten-Skiort Super-Besse war in Sichtweite und der Team Gerolsteiner-Profi lag mit allen Favoriten zusammen an der Spitze des Rennens. Vermutlich war es diese Vorfreude, die ihn einen Augenblick unachtsam werden ließ: Schumacher verhakte sich im Hinterrad des Luxemburgers Kim Kirchen, schlug auf den Asphalt auf, und bis er sich berappelt hatte, war Kirchen mitsamt den übrigen Fahrern der Spitzengruppe, dem Tagessieger Riccardo Ricco, sowie mit Schumachers Gelbem Trikot über die Bergkuppe enteilt.

Es war eine unglückliche Art, das begehrte Hemd zu verlieren. Dass es ausgerechnet zum Luxemburger Kirchen vom Team Columbia wanderte, war jedoch kein Zufall. Kirchen wird immer mehr zum Superstar dieser Tour, nachdem er in der vergangenen Woche im Zeitfahren knapp hinter Schumacher auf Platz zwei landete und zeitweise das Grüne Trikot des besten Spurters trug.

Nach der starken ersten Bergetappe am Donnerstag trauen nun nicht wenige dem Tour-Siebten des vergangenen Jahres sogar zu, um den Tour-Gesamtsieg mit zu fahren. Doch Kirchen ist kein isolierter Überflieger, er reitet auf der beachtlichen Erfolgswelle seiner Mannschaft, der Nachfolgeformation der einstigen deutschen Vorzeige-Equipe T-Mobile. Obwohl die Mannschaft mit einem ungewöhnlich jungen Aufgebot zur Tour angereist ist, dominiert sie die Rundfahrt beinahe so, wie das vor zehn Jahren ihre Vorgängertruppe tat. So beherrschte das Sprint-Trio Mark Cavendish, Gerald Ciolek und Kirchen in den vergangenen Tagen auch die schnellen Finishs – nach Platz zwei und drei Kirchen und Ciolek in Plumelec gewann der 23 Jahre alte Brite Cavendish am Mittwoch überlegen den Spurt von Chateauroux und düpierte das gesamte Sprint-Establishment.

Die Dominanz in allen Sparten ist das einzige, was bei Columbia an die Telekom-Zeiten erinnern soll. Ansonsten ist man darum bemüht, sich als völlig neues Team zu präsentieren. „Ich bin sehr glücklich, dass ich jetzt nicht mehr den Ballast von 17 Jahren Vorgeschichte am Hals habe“, sagt Columbia-Teambesitzer Bob Stapleton, der das ehemalige Team T-Mobile nach dem Ausstieg des deutschen Sponsors übernahm und den Sitz von Bonn in seine Heimat Kalifornien verlegte. „Ich kann jetzt völlig frei die Zukunft der Mannschaft bestimmen.“

Stapletons Vision einer Mannschaft der neuen Generation, die Erfolg mit einer klaren Anti-Doping-Haltung zu verbinden sucht, ist die gleiche geblieben, wie 2006, als er T-Mobile übernahm. Im zweiten Anlauf glaubt er nun, dass ihm die Umsetzung auch gelingt. „Ich war mit meinen Vorstellungen, unserem Sport ein neues Gesicht zu geben, bei T-Mobile zwei Jahre zu früh. Jetzt habe ich das Gefühl, dass die Zeit reif ist.“

Sportlich könnte es für Stapletons Team kaum besser laufen. Mark Cavendishs Sprintsieg war der 46. Saisonsieg der Mannschaft. Damit ist Columbia die überragende Mannschaft des Jahres. Und das zahlt sich auch aus. Nachdem Stapleton zunächst die Organisation mit seiner 25 Millionen-Abfindung von T-Mobile finanzierte, stieg vor wenigen Wochen der amerikanische Sportmode-Hersteller Columbia als Hauptsponsor ein.

Stapleton glaubt, dass es die Kombination aus Redlichkeit und Leistung gewesen ist, die den neuen Förderer überzeugt hat: „Sauber zu sein alleine genügt nicht.“ Und sollten Stapleton und sein Sportlicher Leiter Rolf Aldag tatsächlich einen Weg gefunden haben, sauber im Radsport zu reüssieren, dann wäre die überraschende Dominanz der Mannschaft ein hoffnungsvoller Hinweis auf einen Radsport, der Fortschritte macht. So möchte Aldag den Erfolg seines Teams verstanden wissen. Die Siege von Columbia erklärt er in erster Linie mit dem guten Team-Spirit. Die Patrick Sinkewitz-Affäre, die turbulente Skandaltour 2007, der Ausstieg des Sponsors und der Neuanfang in Kalifornien, das alles, so Aldag, habe zusammenschweißt.

Vor allem aber glaubt Aldag, könne seine junge Truppe so befreit auftrumpfen, weil kein Druck auf ihren Schultern laste. „Wir haben hier nichts zu verlieren“, sagt er. „Die Tour war jetzt schon eine gute Tour für uns. Wenn wir morgen abgehängt werden, ist das für niemanden eine Katastrophe.“

Sebastian Moll

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