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Sport: Tour de justice

Radprofi Danilo Hondo will gegen seine Dopingsperre vor ein Zivilgericht ziehen

Berlin - Danilo Hondo bereitete sich gerade auf eine neue Zeit als Radprofi vor, als er erfuhr, dass er weiter nur ein Freizeitradler sein darf. Bis zum 31. März 2007 hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne den 32 Jahre alten Brandenburger wegen Dopings gesperrt. Das Trainingslager auf Mallorca hat Hondo daher abgebrochen und ist erst einmal zurück zu seiner Familie in die Schweiz gereist. Sein Karriereende möchte er sich aber nicht auch noch vom CAS vorgeben lassen. „Ich glaube an meine Unschuld und werde weiterkämpfen für mich und für andere“, sagte Hondo gestern, und das bedeutet: Er wird das Urteil vor dem Schweizer Bundesgerichtshof in Bern anfechten. Sein Rechtsanwalt Michael Lehner sagte: „Recht findet man nur bei ordentlichen Gerichten.“

Danilo Hondo war im vergangenen Jahr auf dem besten Weg, Erik Zabel als besten deutschen Sprinter abzulösen. Doch dann wurde ihm bei der Murcia-Rundfahrt Anfang März 2005 die Einnahme des Aufputschmittels Carphedon nachgewiesen. Dem CAS war das Beweis genug für eine Sperre von zwei Jahren. Das ist das übliche Strafmaß für Dopingvergehen. Der CAS folgte damit dem Antrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Der Schweizer und der Welt-Radsportverband hatten 2005 eine Sperre von einem Jahr gefordert. Dann hätte Hondo schon im April 2006 wieder starten dürfen.

Den Glauben an die höchste sportrechtliche Instanz haben Hondo und sein Anwalt nun verloren. „Ich bin geschockt und enttäuscht“, sagte Hondo. Seine Wut richtet sich nicht nur gegen das Gericht, sondern auch gegen die Wada. „Ich muss den Preis dafür zahlen, dass die Wada die Fehler allein beim Athleten sucht“, sagte Hondo, und sein Anwalt erklärte: „In der Dopingbekämpfung hängt man lieber zehn Unschuldige, als man einen Schuldigen laufen lässt. Es ist ein Willkürurteil.“

Hondos Fall ist eine merkwürdige Irrfahrt, denn vieles ist bis heute ungeklärt. Die Umstände haben etwa den Heidelberger Doping-Experten Professor Werner Franke so stutzig gemacht, dass er selbst bei einer Anhörung vor dem CAS für Hondo aussagte. Gehör hat er nicht gefunden, deshalb sagt er jetzt: „Es ist sinnlos, wissenschaftliche Argumente vor solchen Gremien vorzubringen. Ich werde das nie wieder machen.“

Franke hatte am 22. November vor dem CAS angezweifelt, dass Hondo das Mittel bewusst eingenommen habe: „Die Konzentration war absolut niedrig.“ Sie hätte sich also gar nicht leistungsfördernd auswirken können. Stattdessen vermutet Franke, dass die Substanz über ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel oder ein manipuliertes Getränk in Hondos Körper gelangt ist. Diesem Verdacht war Hondos Arbeitgeber, das Team Gerolsteiner, sofort nachgegangen. „Wir haben alle seine Nahrungsergänzungsmittel im Kölner Doping-Kontrolllabor überprüfen lassen. Dafür haben wir mehr als 5000 Euro investiert“, sagt Teammanager Hans-Michael Holczer. Spuren von Carphedon habe das Labor jedoch nicht gefunden. Der leitende Mannschaftsarzt Dr. Ernst Jakob sagt allerdings: „Es gab Präparate, die Danilo zu dem Zeitpunkt schon aufgebraucht hatte. Da haben wir eine neue Packung untersuchen lassen.“

Aber auch die Substanz selbst gibt Rätsel auf. Carphedon wurde in einem Militärlabor der Sowjetunion entwickelt, um Piloten der Luftwaffe vor Ermüdungserscheinungen zu schützen. „Es ist ein militärisches Geheimnis“, sagt Doping-Experte Franke. Nach seinem Wissen ist Hondo der erste Nicht-Russe, bei dem diese Substanz nachgewiesen wurde.

Eine kleine Verschwörungstheorie gibt es noch dazu. Der Teamarzt von Gerolsteiner bei der Murcia-Rundfahrt war Dr. Alexander Jablonowski. Er kommt aus St. Petersburg und hat nach Frankes Informationen früher in seiner Heimat als Stabsarzt der Luftwaffe gearbeitet. Jablonowski hält sich zurzeit in St. Petersburg auf und war gestern nicht zu erreichen. Sein Vorgesetzter Jakob sagt jedoch: „Es wäre fatal, hier einen Zusammenhang zu konstruieren. Ich habe ihn als feinen Kollegen kennen gelernt.“

Einen Gegenbeweis zum Doping hat Hondo noch nicht liefern können, und der Schweizer Bundesgerichtshof hat bisher noch kein vergleichbares Urteil des CAS aufgehoben. Dennoch hat Hondo die Hoffnung auf einen Freispruch nicht aufgegeben. Ein günstiges Urteil bräuchte er auch, um noch einmal für das Team Gerolsteiner fahren zu können. „Wenn es bei zwei Jahren Sperre bleibt, wäre das die Rote Karte“, sagt Teammanager Holczer. Wenn Hondo dagegen nachweisen könne, das Mittel nicht absichtlich genommen zu haben, ließe sich noch einmal verhandeln.

Carphedon steht zwar auf der Dopingliste, im Grunde gibt es jedoch weder ein Medikament, das diesen Namen trägt, noch einen Wirkstoff. Der Wirkstoff heißt 4-Phenylpiracetam und steht nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen, ebenso wenig das noch gebräuchlichere Piracetam. In seiner Urteilsbegründung empfahl der CAS daher der Welt-Anti- Doping-Agentur, 4-Phenylpiracetam auf die Dopingliste zu setzen. Damit wäre eine Lücke in der Verbotsliste geschlossen – nach Hondos Urteil. „Der Athlet muss vorher wissen, was verboten ist. Das ist eine rechtliche Mindestanforderung“, sagt Anwalt Lehner. Weil der juristische Grundsatz, dass es keine Strafe ohne Gesetz gebe, verletzt worden sei, werde er mit Hondo jede Möglichkeit ausschöpfen. „Irgendwann muss der Einseitigkeit des CAS Einhalt geboten werden.“

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