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Sport: Tränen der Wut, Tränen der Trauer

Während Bochumer Fans randalieren, gedenken Hannovers Profis Robert Enke

Von Christian Otto

Geweint wurde auf beiden Seiten. Bei den aufgebrachten Anhängern des VfL Bochum, die nach dem Abstieg ihres Klubs randaliert hatten und von der Polizei mit Pfefferspray zurückgedrängt worden waren. Und bei den überglücklichen Spielern von Hannover 96, von denen eine große Last abgefallen war. Über Wochen und Monate hatten sie die Trauer um ihren Kapitän Robert Enke, der sich am 10. November 2009 das Leben genommen hat, im Alltag der Fußball-Bundesliga zurückstellen müssen. Nach dem 3:0 (3:0)-Erfolg in Bochum aber fiel der Alltag des Abstiegskampfes ab. „Das war eine sehr emotionale Form des Jubels“, sagte Hannovers Trainer Mirko Slomka.

Die Kontraste im Bochumer Stadion hätten nicht stärker ausfallen können. Während die Polizei noch damit beschäftigt war, Wurfgeschosse, Plastikstühle sowie Klobrillen zu einem Haufen zu türmen und aufgebrachte Bochumer Fans zurückzudrängen, gab es auf der Gegenseite sinnliche Momente. Hannovers Mannschaft, die sich erst an den letzten beiden Spieltagen mit Siegen gegen Mönchengladbach und gegen Bochum gerettet hatte, war auf das glückliche Ende einer turbulenten Saison gar nicht vorbereitet. Das schwarze Banner, das kurz nach dem Schlusspfiff wie eine Art Gebetsteppich für den verstorbenen Enke ausgebreitet wurde, war den Spielern zuvor aus dem Fanblock gereicht worden. „Robert R.I.P.“ lautete die Aufschrift. „Rest in peace.“ Die Botschaft zu Ehren des früheren 96-Kapitäns bewegte all jene im Stadion, die vor lauter Wut gerade nicht den Überblick verloren hatten.

Es war diese Mischung aus Entschlossenheit und Geschlossenheit, die Hannover 96 auf den letzten Drücker den Klassenerhalt beschert hat. Die schnellen Tore von Arnold Bruggink, Mike Hanke und Sergio Pinto hatten die letzten Bochumer Hoffnungen auf Rettung schnell erstickt. Dass die Mannschaft von Dariusz Wosz sich fast ohne Gegenwehr ihrem Schicksal ergeben hatte, veranlasste den Bochumer Interimstrainer zu deutlichen, fast bösen Worten. „Was wir hier heute gezeigt haben, war Angsthasen-Fußball“, sagte Wosz. Der sich einst als unabsteigbar rühmende Verein blamierte sich auf und neben dem Platz und rundete eine missratene Rückrunde auf peinliche Weise ab.

Mit ihrem kopflosen Auftritt ermöglichten die Bochumer Spieler den Gästen aus Hannover eine Rettung, an die vor zwei Wochen kaum zu denken war. „Wir haben alle zusammen an uns geglaubt“, sagte der zufriedene Slomka, der mit den Spielern und Fans ausgelassen jubelte, nachdem der große Druck und die Nachdenklichkeit abgeschüttelt waren. Mehrere tausend Fans empfingen die bierselige Mannschaft am späten Samstagabend noch im heimischen Stadion in Hannover.

Die Verantwortlichen des VfL Bochum dagegen machten kein Geheimnis daraus, dass sich durch ihren Verein ein tiefer Riss zieht. „Was unsere Fans hier gezeigt haben, verabscheue ich“, sagte Sport-Vorstand Thomas Ernst, ehe er auch noch die eigenen Spieler kritisierte. „Einige bei uns haben sich wichtiger genommen, als das für eine Mannschaft gut ist.“

Draußen wollten die Jagdszenen zwischen gewaltbereiten Fans und der Polizei kein Ende nehmen. Drei Beamte wurden verletzt, einer war nicht mehr dienstfähig. Auf dem Rasen musste der von einem Fan attackierte VfL-Abwehrspieler Mergim Mavraj, weil er sich offenbar revanchieren wollte, von Sicherheitskräften und Mitspielern zurückgehalten werden.

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