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Geht sie oder geht sie nicht? Bei der WM 2009 war Sabine Krantz auf den Straßen Berlins dabei, ihr Start in Daegu ist ungewiss. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Sport: Tränenerstickt ins Ungewisse

Die Geherin Sabine Krantz hat sich für die WM qualifiziert – ein Formfehler bedroht nun ihren Start

Berlin - Sabine Krantz hat geweint, als sie die Nachricht erhielt. Einfach nur geweint, sie sagte ganz wenig nur, sie hat das Telefonat schnell beendet.

Michael Huke, der Manager des TV Wattenscheid, des Vereins von Sabine Krantz, der weinte nicht, der tobte. „Unfassbar, unentschuldbar, ein Drama.“

Heiko Schulze, der Trainer von Sabine Kratz, stöhnte gestern: „Da bekommt man doch einen Schreikrampf. Es ist unfassbar, dass so etwas möglich ist.“

Die Geherin Sabine Krantz hat sich bei den deutschen Gehermeisterschaften in Erfurt für die WM in Südkorea qualifiziert. Sie ging 1:31:07 Stunden, obwohl sie Tage zuvor mit 39 Grad Fieber im Bett gelegen hatte. „Das war eine Riesenleistung von ihr“, sagt Schulze, „sie hat so gesehen den besten Wettkampf ihres Lebens absolviert.“

Nur nützt ihr das möglicherweise nichts. Sabine Krantz darf nur bei der WM starten, wenn der Weltverband IAAF Gnade walten lässt. Denn der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hatte vergessen, den Wettkampf in Erfurt rechtzeitig bei der IAAF anzumelden, damit galt die Meisterschaft offiziell nicht als Normwettbewerb. „Wir haben einen Fehler gemacht, es tut mir furchtbar leid, dass eine Athletin darunter leiden muss“, sagt Thomas Kurschilgen, der Sportdirektor des DLV.

Ein Formblatt bis zum 31. Dezember 2010 an die IAAF hätte genügt. Vor Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen müssen nationale Normwettkämpfe im Marathon und im Gehen für das nächste Jahr rechtzeitig mitgeteilt werden, so ist die Regel. Der DLV hat sie ungewollt gebrochen. „Ein menschlicher Fehler“, sagt Kurschilgen.

Jetzt bittet die DLV-Führung in hektischen Gesprächen den Weltverband um Gnade; die endgültige Starterliste für die WM muss erst am 15. August bei der IAAF vorliegen. Im Moment ist Krantz vom DLV nominiert, derzeit ein Muster ohne Wert. Aber Kurschilgen deutet an, dass andere Nationen im Marathon und im Gehen ähnliche Probleme haben, jetzt hoffen sie beim DLV, dass die IAAF einlenkt, weil Krantz offenbar kein Einzelfall ist. Unklar ist, ob es früher schon mal so einen Fall bei der IAAF gegeben hatte. Kurschilgen weiß es nicht, und beim DLV ist kein entsprechender Fall bekannt.

Aber in Wattenscheid nützt das Heiko Schulze wenig. Er muss mit einer Athletin arbeiten, die völlig aufgelöst ist. Gestern sollte die 30-Jährige ein paar Kilometer mit Rhythmuswechseln absolvieren, am Ende reduzierte sich das Programm auf einen Dauerlauf. „Aber selbst da war sie noch schnell“, sagt Schulze. „Das ist ja quasi das Schlimmste. Sie ist einfach sehr gut drauf.“ Bei den deutschen Meisterschaften am vergangenen Wochenende in Kassel gewann sie das 5000-Meter Bahngehen in Weltjahresbestzeit.

Eine Chance, die Nominierung nachzuholen, gibt es nicht mehr, alle Normwettkämpfe sind vorbei. Eigentlich sollte sich die WM-Achte von 2007 über 20 Kilometer jetzt auf den Feinschliff konzentrieren. „Sie müsste Strecken absolvieren, bei denen sie stabil hohes Tempo geht“, sagt Schulze. „Doch dazu muss man im Kopf frei sein. Aber das ist sie nicht.“

Am Montag hatte Kurschilgen die Athletin angerufen, zweimal insgesamt. Das erste Gespräch beendete sie nach zwei Minuten tränenerstickt. Das zweite, eine Stunde später, war schon etwas entspannter. Aber was heißt das schon? Kurschilgen hatte versucht, ihr die Hintergründe klarzumachen. Ein Frustrierter redete mit einer Fassungslosen. Kurschilgen hatte die Nachricht vor 14 Tagen erfahren, „das hat mich auch persönlich mitgenommen“, sagt er. Er hat die Athletin und ihren Trainer erst mal nicht informiert, damit die Geherin entspannt in Kassel starten konnte. Schulze empfindet das auch als rücksichtsvoll. Aber nachdem er am Montag auch vom Sportdirektor informiert worden, da war er „erschüttert“.

Dieses Gefühl hatte Sabine Krantz schon in Kassel. Dort erfuhr sie zu ihrem Entsetzen, dass Bahngehen ab 2012 nicht mehr innerhalb der Deutschen Meisterschaften ausgetragen wird. Das empfand sie als harten Schlag. Dass zwei Tage später ein viel härterer kommen würde, das konnte sie ja nicht ahnen.

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