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Otto Rehhagel bei der Wahl des Bundespräsidenten. Der Schreck der Niederlage gegen Bayern scheint ihm noch in den Gliedern zu sitzen. Ein bisschen Aufmunterung tut da gut.

© dpa

Trainer verliert an Einfluss: Otto Rehhagel ist bei Hertha nur noch Zuschauer

Nach dem 0:6-Debakel gegen die Bayern müssen Herthas Profis am eigentlich trainingsfreien Montag antreten. Otto Rehhagels Idee dürfte das kaum gewesen sein.

Am Ende des Trainings kommt es zum großen Knall. Patrick Ebert meckert in einem fort, weil er sich von Tunay Torun gefoult fühlt, das Spiel trotzdem weiterläuft und die gegnerische Mannschaft im Gegenzug sogar ein Tor erzielt. Irgendwann hat René Tretschok genug. Der Co-Trainer von Hertha BSC unterbricht das Spiel und weist Ebert zurecht. "War das etwa kein Foul?", schreit Ebert zurück. "Ebi, was ist denn im Spiel, wenn der Schiedsrichter nicht pfeift?", fragt Tretschok. Und beendet die Einheit.

Otto Rehhagel hat das Wortgefecht aus sicherer Entfernung verfolgt. Herthas Cheftrainer steht hinter der Bank, auf der sich Teamleiter Nello di Martino niedergelassen hat, er belässt es bei der Rolle des Beobachters – und versucht gar nicht erst, den Eindruck zu widerlegen, der sich nach dem 0:6 gegen die Bayern immer mehr verfestigt. Die "BZ" hat aus den Ereignissen der letzten Tage "die leise Entmachtung des Oberlehrers" geschlussfolgert. Rehhagel könnte diesen Eindruck durch Worte und Taten entkräften. Aber er sagt und tut: nichts. Seine Außenwirkung hat ihn noch nie interessiert.

Dabei geht es an diesem Vormittag genau darum: eine Erwartung der Öffentlichkeit zu bedienen. Auch deshalb trainiert die Mannschaft am eigentlich freien Montag. Vierzehn Feldspieler und zwei Torhüter stehen auf dem Platz. Etliche Profis fehlen, darunter auch Christian Lell, der am Wochenende mit einer bewusst vage gehaltenen Aussage Kritik an Herthas Vereinspolitik geäußert hat. Ein Schelm, wer aus seiner Absenz Böses folgert. Lell leide an einer Schienbeinentzündung, teilt Herthas Pressestelle später mit.

Rehhagel hat sich immer gegen zusätzliche Trainingseinheiten gesträubt und die Bedeutung freier Tage zur mentalen Regeneration hervorgehoben. Selbst unmittelbar nach dem Debakel gegen die Bayern hatte er noch gesagt: "Jetzt müssen wir uns erst einmal zwei, drei Tage davon erholen." Man kann also davon ausgehen, dass der Wegfall des freien Tages nicht seine Idee ist, auch wenn die Maßnahme am Sonntag offiziell als gemeinsame Entscheidung des Trainerteams verkauft wurde. Da glänzte Rehhagel durch Abwesenheit. Als sich Spieler, Trainerteam und Manager Michael Preetz zur Aufarbeitung des Bayern-Spiels zusammensetzen, nimmt Herthas Cheftrainer als Delegierter an der Wahl des Bundespräsidenten teil.

Wer Rehhagels Aufsteigerbiografie kennt, weiß, dass er sich durch solche Termine geschmeichelt fühlt. Allerdings konterkariert er damit die eigenen Gesetze. Bei seiner Vorstellung als Hertha-Trainer hat der 73-Jährige gesagt: "Alle müssen ihr Ego in den Hintergrund stellen." Wenn er das wirklich ernst gemeint hätte, hätte er sich nie zur Teilnahme an der Präsidentenwahl bereit erklären dürfen. Am Tag nach dem Ausflug in die große Politik fremdelt Rehhagel mit dem Alltag. Herthas Trainer fröstelt. Er schlägt den Kragen seiner Jacke hoch, zieht sich deren Ende immer wieder bis unter die Nase. Die Sonne scheint, doch ein eisiger Wind fegt über den Platz. Berlin im Frühling kann ganz schön ungemütlich sein. Das weiß jetzt auch Otto Rehhagel.

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