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Volz

© dpa

Trainerdiskussion in England: "Sie können keinen Deutschen einstellen"

Moritz Volz (24) spielt beim FC Fulham in der englischen Premier League. Im Interview spricht der frühere deutsche U21-Nationalspieler mit dem Tagesspiegel über die Probleme der englischen Nationalelf und Klinsmann als Trainerkandidat.

Herr Volz, konnten Sie sich vorstellen, dass England in der EM-Qualifikation scheitert?

Nein. Ich war mir so sicher, dass sie es schaffen, dass ich mir das Spiel gar nicht mehr anschauen wollte. Ich hatte vor, ins Kino zu gehen. Als dann doch noch ein bisschen Zeit war, habe ich die erste Halbzeit gesehen und konnte es kaum glauben.

Da stand es schon 0:2. Gegen Kroatien, eine Mannschaft, für die es um nichts mehr ging. Was läuft schief bei den Engländern?

Erst einmal waren die Kroaten sehr stark. Sie haben frei aufgespielt, sehr beweglich, sehr schnell.

Trotzdem muss doch ein Starteam wie England ein solches Spiel gewinnen. Nicht nur dieses Spiel. England hätte sich in dieser Gruppe sicher qualifizieren müssen. Es war keine schwere Gruppe. Woran also hat es gelegen?

Die Engländer schaffen es nicht, ihre starken Leistungen in der Premier League auch in der Nationalmannschaft zu zeigen. Sobald sie das Nationaltrikot überziehen, scheinen sie ihr Talent nicht mehr umsetzen zu können.

Kroatiens Trainer Slaven Bilic sagt, die englischen Spieler seien gut, aber die Organisation auf dem Platz sei schlecht. Hat da Trainer Steve McClaren versagt?

Man kann nicht nur den Trainer kritisieren. Auch unter Sven-Göran Eriksson lief es ja nicht besonders gut. Und dass Eriksson ein guter Trainer ist, beweist er gerade wieder mit Manchester City in der Premier League. Bei den englischen Nationalspielern fehlt es offenbar an Harmonie. Es entsteht kein Spielfluss. Aus der Premier League sind sie ein schnelles Spiel gewohnt, mit Dynamik, mit Druck nach vorn, ohne taktische Zwänge. Statt die Vorteile dieses typisch englischen Fußballs auch in Länderspielen zu nutzen, kommen nur die taktischen Nachteile durch.

Die englischen Spieler wirken im Nationalteam gehemmt. Wovor haben sie Angst?

Hier in England wird alles öffentlich durchanalysiert, so dass sich jeder schon Sorgen um die Reaktionen macht, bevor er überhaupt etwas unternimmt.

Wäre Jürgen Klinsmann der richtige Trainer für England?

Ich kann mir vorstellen, dass es zu einer erfolgreichen Kombination führen könnte, glaube allerdings nicht dass die englischen Verbandsfunktionäre einen Deutschen einstellen könnten, ohne dass man sie aus dem Land jagt.

Zurzeit gibt es in England ohnehin wieder eine Ausländerdebatte. Spielen tatsächlich zu viele Ausländer in der Premier League? Kommen zu wenig Engländer zum Einsatz?

Diese Diskussion ist wirklich naiv. Englands Fußball hat so sehr von den vielen guten Ausländern profitiert. Deshalb ist die Premier League doch so stark und macht so viel Geld. Man muss dieses Geld nur noch konsequenter in die Ausbildung stecken.

Allerdings holen die englischen Vereine inzwischen schon ganz junge ausländische Spieler. Da haben die jungen Engländer schon in der Ausbildung Konkurrenz.

Durch den Kontakt und Wettbewerb mit den besten jungen Spielern aus der ganzen Welt, profitieren die jungen Engländer doch. Es schaffen dann vielleicht nicht mehr ganz so viele den entscheidenden Sprung von den Jugendmannschaften ins Profiteam wie früher. Aber die Qualität derjenigen, die es schaffen, ist deutlich höher. Es ist ja nicht so, dass nichts nachkommt. Schauen Sie sich zum Beispiel Micah Richards an. Das ist ein echter Klassemann.

Sie kamen auch schon mit 16 Jahren nach England. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Es hat mein Leben sehr bereichert. Aber es war nicht immer einfach.

Was war eine besondere Schwierigkeit?

Sich zu verständigen. Die Sprache. Das Englisch, das hier im Alltag gesprochen wird, hat mit dem Schulenglisch, das wir in Deutschland lernen, nicht viel zu tun.

Was war besonders positiv?

Die Zeit hier in England hat mich weitergebracht, als Fußballer und als Mensch. Ich glaube, dass ich jetzt eine gute deutsch-englische Mischung habe. Hoffentlich von beidem das Beste.

Was haben Sie denn von den Engländern gelernt?

Die Leichtigkeit. Nicht alles superernst zu nehmen. Über sich lachen zu können. Natürlich nur im Training. Nicht im Spiel.

Leiden Sie mit der englischen Nationalelf, nachdem Sie jetzt so viele Jahre hier leben?

Ja, ich bin sehr enttäuscht. Ich mag den englischen Fußball. Ich verstehe ja die Schadenfreude der deutschen Fans, wenn sie singen: Ohne England, fahr'n wir zur EM. Aber der Ausfall der Engländer wird die EM als Ereignis schmälern. In Österreich und der Schweiz wird man die englischen Fans vermissen, zumindest den allergrößten Teil von ihnen, die vielen friedlichen Fans. Irgendwie ist der Sommer 2008 auch für mich im Moment unvorstellbar. Ich weiß noch gar nicht was ich da machen werde.

Wie reden Sie mit Ihren englischen Kollegen beim FC Fulham über das Thema?

Wir haben ja keine englischen Nationalspieler, deshalb ist das nicht so ein großes Thema. Wir haben einige Nordiren.

Nordirland hätte es ja auch fast geschafft.

Sie waren nah dran. Im letzten Spiel in Spanien waren die Chancen dann nur noch gering. Trotzdem hat man als Fußballer immer Hoffnung. Und das Schöne am internationalen Fußball heute ist ja, dass es keine kleinen Mannschaften mehr gibt. Die Ergebnisse sind nicht mehr vorhersagbar, die ganz hohen Siege bleiben aus.

Das Interview führte Markus Hesselmann

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