zum Hauptinhalt

Sport: Trainerwechsel in Stuttgart: Professor geht, Schleifer kommt

Der Retter kam im schwarzen Mantel wie ein Agent. Keine Kontrollen, kein Warten am Gepäckband, nicht einmal durch den Touristenausgang ging er.

Der Retter kam im schwarzen Mantel wie ein Agent. Keine Kontrollen, kein Warten am Gepäckband, nicht einmal durch den Touristenausgang ging er. Auf dem Rollfeld des Flughafens in Leinfelden-Echterdingen nahe Stuttgart stand der Bundesgrenzschutz mit einem Bus. Anders wird es nicht zugehen, wenn die PLO mit Yassir Arafat zu Geheimverhandlungen nach Camp David reist. Diesmal war es nur ein normaler Fußballtrainer. Der Neue vom VfB Stuttgart. Oder, der es vielleicht wird - Felix Magath.

Er also soll den Stuttgarter Fußballklub vor dem Abstieg retten. Und das ist schwer. Deshalb waren die Verhandlungen mit dem wahrscheinlich 29. Coach in der schwäbischen Klubgeschichte so schwierig. Gegen 18 Uhr 12 kam Pressesprecher Oliver Schraft und sagte kurz und knapp: "Heute gibt es keine Entscheidung mehr. Butterbrezeln und Himbeerkuchen blieben stehen. Es geht wohl um die Dauer des Vertrages. Magath wollte eine längerfristige Lösung, die Stuttgarter nur einen Kontrakt bis Saisonende. "Wir müssen da schon noch Gespräche führen", hatte Magath vorher erklärt. "Es geht nicht um Frankfurt und finanzielle Probleme. Es geht um die des VfB Stuttgart. Ich glaube, dass dort viele noch gar nicht begriffen haben, in welcher Lage der Klub ist." Eine Prämie von rund 1,5 Millionen Mark soll Magath bekommen, wenn er es schafft. Das ist üblich für Retter, beim VfB und der PLO.

Für Trainer Ralf Rangnick war nun kein Platz mehr in Stuttgart. Nach nicht einmal zwei Jahren, im Mai 1999 fing er an, gab der 42-Jährige nach der 1:2-Niederlage in Vigo im Uefa-Cup auf. Das Konzept gescheitert. Der Traum vom "Fohlenteam" am Neckar ausgeträumt. "Ich wünsche dem Felix viel Glück. Er hat es ja schon mal geschafft. Ich bleibe ein Mann des VfB, der Verein hängt mir am Herzen". Zurück bleiben feuchte Augen, viele enttäuschte Erwartungen und jede Menge Aufregung.

Im Klubhaus an der Mercedesstraße zogen sie die Tische ins Nebenzimmer und holten eilig Wasser und Apfelsaft aus dem Keller. Um 17 Uhr 14 schob Manager Rolf Rüssmann seinen Koffer in sein Büro und dämpfte die Erwartungen. "Kann auch sein, dass sie enttäuscht nach Hause gehen." Er sollte für heute Recht behalten. Schon im fernen Vigo hatte es am Tag nach dem Aus im Uefa-Cup Aufregung gegeben. "Die drehen alle durch", klagte Pressechef Schraft über die Journalisten, weil die "Stuttgarter Nachrichten" vor allem anderen schrieben, dass Rangnick aufgab. Zähneknirschend gab Rüssmann zu: "Rangnick kam schon am Dienstag morgen zu mir und hat gesagt, er glaube nicht mehr daran, die Situation in den Griff zu kriegen. Ich musste nach einem Trainer suchen, er wusste Bescheid", sagte Rüssmann. Rüssmann hat dann mit Eintracht Frankfurt verhandelt. "Wir sind uns einig", sagte er. Von der Eintracht wollte Magath noch fast vier Millionen Mark. In Frankfurt hatten sie Magath am 29. Januar davon gejagt, weil aus dem Retter von einst ein Schleifer geworden war, gegen den die Spieler rebellierten. In Stuttgart aber ist die Angst vor einem Abstieg größer als alle Zweifel. "Wir brauchen einen Trainer mit Kenntnissen im Abstiegskampf. Das kleinste Risiko ist die Messlatte", sagte Rüssmann. Selbst ein Drogensünder wie Christoph Daum war ein ernsthafter Kandidat. Doch beim DFB haben sie die Hände über Kopf zusammengeschlagen. "Da wurde gesagt, dass Daum Schwierigkeiten mit seiner Trainerlizenz bekommen könnte", so Rüssmann.

Der schlechte Ruf Magaths stört Rüssmann nicht. Selbst Ralf Rangnick saß mit feuchten Augen da und wünschte dem Nachfolger viel Glück: "Er hat es schon mal geschafft. Mir liegt der Verein sehr am Herzen. Ich bin ein Mann des VfB. Mir geht es nur darum, dass der Verein es schafft in der ersten Liga zu bleiben."

Ein paar Zweifel bleiben am Weg der Stuttgarter. Nicht nur in Frankfurt, auch in Hamburg und Bremen musste Felix Magath gehen. Der Grund: Sein autoritärer Führungsstil. In Hamburg hatten ihm die Spieler den Spitznamen "Sadam" in Anlehnung an Iraks Diktator Sadam Hussein gegeben. In Bremen galten die Vorzeigeprofis Dieter Eilts und Marco Bode als seine Hauptgegner. Nun wird Stuttgart unverhofft zur Chance des Rückkehrers Magath. Vor zwei Wochen hatte er voller Verbitterung festgestellt, "dass mit der Entlassung in Frankfurt das Thema Bundesliga für mich erledigt" ist. "Magath hat es drei oder sogar vier Mal geschafft. Das ist keine Versicherung, man kann seinen Glanz auch schnell verlieren", sagte Rüssmann über seinen Wunschkandidaten. "Aber Felix kennt seine Aufgabe bestens".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false