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Training mit ...: Irina Mikitenko: Mutter rennt, Tochter buddelt

Am 15. August beginnen in Berlin die Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Der Tagesspiegel hat aussichtsreiche deutsche Athleten bei der WM-Vorbereitung beobachtet. Heute Folge drei: Irina Mikitenko, Marathonläuferin.

Wenn gut dosiertes Training auf der Laufbahn der Schlüssel zum Erfolg ist, dann hängt dieser Schlüssel bei Irina Mikitenko im Haus. Fast um die Ecke ihres Einfamilienhauses im hessischen Freigericht befindet sich auf dem Gelände eines Gymnasiums eine 400-Meter-Bahn. „Betreten des Geländes nur mit schriftlicher Genehmigung. Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich geahndet. Die Schulleitung“ – so steht es am verschlossenen Tor des Sportplatzes. Doch das gilt nicht für Mikitenko. Die Bahn ist so etwas wie ihr privater Trainingsplatz. Hier bereitet sie sich auf ihre wohl bisher größte sportliche Herausforderung vor.

Läuft im Training alles weiter nach Plan und wird der Vormittag des 23. August ein für sommerliche Verhältnisse eher kühler Sonntag, hat Mikitenko alle Chancen, in Berlin Weltmeisterin im Marathon zu werden. Nie zuvor hat eine deutsche Läuferin über die klassischen 42,195 Kilometer einen globalen Titel gewonnen – weder bei einer WM noch bei Olympischen Spielen. Vor 13 Jahren gab es die letzte realistische Chance: Bei Olympia 1996 ging die Berlinerin Uta Pippig als Favoritin an den Start, doch eine Verletzung zwang sie zur Aufgabe. Katrin Dörre-Heinig, die 1988 eine olympische Bronzemedaille gewonnen hatte, wurde damals Vierte.

Schnelligkeitstraining auf der Bahn

Mit Mikitenko, die für den TV Wattenscheid startet, hat die deutsche Leichtathletik jetzt wieder eine Marathonläuferin, die bewiesen hat, dass sie große Rennen gewinnen kann. Über Jahre hinweg gehörte die 36-Jährige zur Weltklasse auf den Bahn-Langstrecken. 1999 wurde sie WM-Vierte über 5000 Meter, ein Jahr später kam sie als Olympiafünfte ins Ziel. Obwohl sie sich seit gut zwei Jahren auf die Straßenläufe konzentriert, spielt das Schnelligkeitstraining auf der Bahn nach wie vor eine wichtige Rolle.

„Manchmal ist auf der Bahn der Schule Sportunterricht, wenn ich zum Training komme. Dann geht es für die Schüler darum, eine Runde mit mir mitzuhalten“, erzählt Irina Mikitenko, während sie das Tor aufschließt, und fügt hinzu: „Ich gebe ihnen natürlich eine Chance.“ Ihr 15 Jahre alter Sohn Alexander ist selbst auf der Schule, die knapp vier Jahre alte Tochter Vanessa nimmt Irina Mikitenko manchmal mit, wenn die Kleine nicht im Kindergarten ist. Dann darf Vanessa in der Weitsprunggrube buddeln, während die Mama Runden dreht.

Bei hartem Tempotraining ist in der Regel ihr Mann und Trainer Alexander dabei. Zusammen kam das Paar 1996 aus Kasachstan nach Deutschland. Nach einem lockeren Aufwärmlauf über fünf Kilometer macht Irina Mikitenko an diesem Tage zunächst ein paar kurze Steigerungsläufe, um sich an die Geschwindigkeit zu gewöhnen. Dann folgt der Kern der Einheit: Dreimal hintereinander läuft Irina Mikitenko 5000 Meter. Alexander Mikitenko steht mit einer Stoppuhr in der Hand an der Bahn und ruft seiner Frau die Zwischenzeiten zu. Nach 16:32 Minuten hat Irina Mikitenko die ersten zwölfeinhalb Runden zurückgelegt. 400 Meter trabt sie locker, mehr Erholung ist nicht vorgesehen. Den zweiten 5000-Meter-Abschnitt rennt sie in 16:18 Minuten, und nach einer weiteren Trab-Runde folgen die finalen fünf Kilometer wie geplant mit einer weiteren Temposteigerung: 16:06 Minuten stoppt Alexander Mikitenko. Damit ist er ebenso zufrieden wie seine Frau.

Erste Deutsche unter 2:20 Stunden

Als Siegerin des Berlin-Marathons hat Irina Mikitenko vor einem Jahr als erste deutsche Frau eine Zeit von unter 2:20 Stunden erreicht (2:19:19) und wurde damit zur viertschnellsten Läuferin überhaupt. Im April hat sie dann zum zweiten Mal in Folge den London-Marathon gewonnen. Die größte Sorge im Hinblick auf die WM bereitet Irina Mikitenko die mögliche Hitze. „Ich bin keine Hitzeläuferin und kann nicht nachvollziehen, wieso man die Marathon-Startzeit auf 11.15 Uhr gelegt hat.“

Für lange Trainingsläufe von bis zu 35 Kilometer nutzt Irina Mikitenko einen nahen Wald. „Dabei hat mich auch schon mein Sohn auf dem Fahrrad begleitet, um mir unterwegs Getränke zu reichen“, erzählt Irina Mikitenko. Die Familie spielt eine wichtige Rolle bei der Koordination des umfangreichen Trainings und des Alltags. „Oft springt meine Mutter als Babysitterin ein.“ Für das finale Trainingslager ist Familie Mikitenko gerade nach St. Moritz gereist. Für die Kinder ist es gleichzeitig der Sommerurlaub.

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