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Raffael

© dpa

Transfers: Hertha kann sich keine Fehlgriffe mehr leisten

Mit der Verpflichtung von Stürmer Raffael setzt Hertha den Umbruch fort. Wie erfolgreich waren die bisherigen Einkäufe? Eine aktuelle Analyse.

Dieter Hoeneß ist ein ruheloser Geist. Besonders jetzt, da im Fußballprofigeschäft eine weitere Wechselperiode eröffnet ist und frisches Geld in die Klubkasse fließt, ist der Manager von Hertha BSC stark beschäftigt. Der vorhandene Kader verfügt schließlich über eine limitierte Qualität. Das hat die Hinrunde gezeigt, die Hertha mit Tabellenplatz 12 abschloss. Anfang dieser Woche hat der 55-jährige Manager den bisher viertteuersten Transfer des Berliner Bundesligisten eingefädelt. Für knapp viereinhalb Millionen Euro löste Hertha den brasilianischen Stürmer Raffael beim FC Zürich aus. Auf ihm ruhen die Hoffnungen der Berliner Fußballfans. Dass dieser Transfer aufgeht, ist nicht nur für die bisher eher harmlose Offensive der Berliner wichtig, sondern auch für Dieter Hoeneß.

Seit Herthas Aufstieg hat Verein seine Personalpolitik mehrmals geändert. So setzte Hertha zwischenzeitlich auf teure Transfers – mit einem Schwerpunkt in Brasilien –, später auf junge Spieler. Nach mehreren Jahren der Nachwuchsförderung wird nun wieder mehr Geld ausgegeben (siehe Übersicht unten). Aber kann man bislang von einer erfolgreichen Transferpolitik sprechen?

Einen wichtigen Einschnitt gab es 2004. Damals investierte Hertha verstärkt in Talente. Allerdings ließen die finanzielle Schieflage und die damit einhergehenden Auflagen der Deutschen Fußball-Liga teure Transfers nicht mehr zu. Die Wende geschah teils aus Überzeugung, wie Hoeneß stets betonte, teils aus wirtschaftlichem Zwang. Tatsächlich schafften in den folgenden Jahren eine Reihe von eigenen Talenten den Sprung in den Profikader. Vor Beginn der laufenden Saison verließen allerdings viele von ihnen den Verein. Mehr als eine komplette Elf musste, wollte, durfte gehen. Darunter waren die sportlich verheißungsvollen Talente Kevin-Prince und Jerome Boateng sowie Ashkan Dejagah. Nach Meinung der Vereinsführung hätten nicht alle Profis die Leistungsbereitschaft und nötige Identifikation mit Hertha gehabt. Viele Mitglieder sahen das ähnlich.

Von den 20 Talenten, die den Weg aus dem eigenen Nachwuchs in die Profimannschaft fanden, sind heute noch ein Handvoll Spieler dabei. Auch Christian Müller steht vor dem Wechsel zum Bundesligakontrahenten Cottbus. Hertha ist also ein Stück Zukunft abhanden gekommen. Diese Zukunft muss jetzt von außen hinzugekauft werden. So ist der Verein gezwungen, Geld in die Hand zu nehmen.

Strategiewechsel in der Transferpolitik haben bei Hertha Tradition. Weder mit teuren Brasilianern (zwischen 1999 und 2002), noch mit prominenten Namen aus der Bundesliga wie Fredi Bobic, Niko Kovac oder Artur Wichniarek (bis 2004) war der Verein dauerhaft erfolgreich. Natürlich war Marcelinho ein guter Einkauf, schließlich war der Mittelfeldregisseur ein brillanter Fußballer, der zu einer Attraktion der Bundesliga avancierte und Hertha überregionale Aufmerksamkeit verschaffte. Andererseits kostete Marcelinho den Verein viel Geld und wegen seiner Eskapaden auch einige Nerven; zudem war das Spiel zu sehr auf ihn zugeschnitten, so dass sich der Rest des Teams nicht mehr zu entwickeln vermochte.

Die erfolgreichste Einkaufsperiode liegt in der Frühphase des Wirkens von Hoeneß, direkt nach dem Bundesliga-Aufstieg 1997. Hier konnte Hertha etwa mit Dick van Burik, René Tretschok und Dariusz Wosz den Kader mittelfristig qualitativ aufwerten. Diese erfolgreiche Phase endete quasi mit dem Einkauf von Alex Alves, dem bisher teuersten Transfer.

Besonders die Stürmersuche zählt zu den wenig erfolgreichen Kapiteln der Vereinsgeschichte. Mehr als 25 Angreifer sind vom einstigen Stürmer Hoeneß verpflichtet worden. Nachhaltig in Erinnerung geblieben sind die wenigsten. Bis auf Marko Pantelic erfüllte nicht einer die Erwartungen. Unvergessen bleiben viele einstige Flops wie Piotr Reiss, Ilija Aracic, Trond Fredrik Ludvigsen, Roberto Pinto, Giuseppe Reina, Vaclav Sverkos bis zu den aktuellen wie Srdjan Lakic und André Lima. Für Letzteren hatte Hertha im Sommer stolze 3,5 Millionen Euro ausgegeben. Der schmerzlichste Fehlgriff in dieser Reihe war Luizao. Der Brasilianer kostete 2002 zwar keine Ablöse, sein Gehalt für den Vierjahresvertrag soll dafür stattliche zehn Millionen Dollar betragen haben. Noch heute hält sich hartnäckig das Gerücht, Chefscout Rudi Wojtowicz habe von der Verpflichtung des Weltmeisters 2002 abgeraten. Nach nur 20 Monaten und vier Toren in 26 Spielen endete das Missverständnis.

Mit Herthas wechselhaftem Erfolg ist auch die Transferpolitik des Vereins wiederholt in die Kritik geraten. Als er jedoch auf der vorletzten Mitgliederversammlung für die Verpflichtung von Fredi Bobic kritisiert worden war, rief Hoeneß entrüstet in den Saal: Den Fredi Bobic habe „nicht ich geholt, den haben wir alle geholt“. Hoeneß spielte darauf an, dass er einst bei der Bekanntgabe der Verpflichtung Bobic’ auf einer Mitgliederversammlung großen Applaus geerntet hatte.

Auf der Versammlung im November 2007 mahnte der ehemalige Vereinspräsident Wolfgang Holst ein Ende der „One-Man-Show“ bei Hertha an, räumte aber zugleich selbstkritisch ein, dass „wir, die wir Verantwortung für Hertha tragen, Hoeneß haben gewähren lassen“.

Untätigkeit ist sicherlich das Letzte, was man Dieter Hoeneß vorwerfen kann. Mehr als 90 Fußballspieler hat er seit dem Aufstieg eingestellt. Wenn man es gut meint, darf dem Manager dabei wechselhafter Erfolg unterstellt werden. Knapp 70 Millionen Euro sind für die Einkäufe ausgegeben worden, nicht eingerechnet die Gehälter des Personals. Heute ist der Verein mit knapp 50 Millionen Euro verschuldet und weist ein negatives Eigenkapital von mehr als zehn Millionen Euro aus. Der Marktwert des aktuellen Kaders wird auf 50 Millionen Euro geschätzt – Bundesliga-Mittelmaß.

Nur zwei Spieler konnte Hertha mit nennenswertem Gewinn verkaufen: Sebastian Deisler und Kevin-Prince Boateng. Natürlich rechnen sich Transfers auch, wenn ein Profi für weniger Geld abgegeben wird als er gekauft wurde – wenn er zwischenzeitlich die Mannschaft spürbar verstärkt hat. Aber verglichen mit der Bilanz anderer Bundesligisten wie Bremen, Hamburg, München, Leverkusen, Rostock oder Stuttgart, die deutlich mehr aus ihren Verkäufen erlösen, ist dieser Teil von Herthas Transferbilanz ernüchternd.

Mit dem jüngsten Einkauf von Raffael und der bevorstehenden Verpflichtung von Ljubomir Fejsa (siehe Artikel links) setzt Hertha BSC eine Politik fort, die seit dem Sommer 2007 en vogue ist: der radikale personelle Umbruch.

Einen teuren Fehlgriff kann sich Hertha dabei nicht mehr leisten.

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