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Sport: Treffpunkt Boxengasse

Warum das Deutsche Tourenwagen-Masters im Vergleich zur Formel 1 immer mehr Anhänger gewinnt

Berlin – Vor einer Woche war Stefan Mücke als Taxifahrer unterwegs. In einem Renn-Mercedes chauffierte er ein paar Gäste des Stuttgarter Konzerns um die Nordschleife des Nürburgrings. „Eine tolle Strecke“, schwärmte der 22-Jährige hinterher von dem Kurs in der Eifel, auf dem bis 1976 die Formel 1 gefahren ist. Einen Tag später jedoch, als nebenan auf dem heutigen Grand-Prix-Kurs die ersten Formel-1-Rennautos ihre Runden drehten, war Mücke bereits wieder in Berlin. „Natürlich möchte ich auch mal den Sprung in die Formel 1 schaffen“, sagt der Berliner, „aber in der DTM bin ich erst einmal sehr glücklich.“ Schließlich bietet das Deutsche Tourenwagen-Masters nicht nur die Plattform für einen späteren Umstieg, sie hat gegenüber der Formel 1 ein paar gravierende Vorteile zu bieten.

Während die Formel 1 auf dem Nürburgring wie ein Hochsicherheitstrakt von den Fans getrennt wurde, die Fahrer kaum aus der Nähe zu bewundern waren und letztlich auch noch das Rennen Langeweile versprühte, präsentierte sich die DTM bei der Werbetour vor dem Brandenburger Tor als ein anfassbares Gebilde. Vor dem 4. DTM-Lauf der Saison am Sonntag auf dem Eurospeedway Lausitz (14 Uhr/live im ZDF) war das die beste Werbung. Die DTM ist insgesamt längst auch zu einem Vorbild für die Formel-1-Veranstalter geworden. „Es muss etwas passieren, die Show muss wieder stimmen, die DTM ist das beste Beispiel“, hat Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz deshalb gefordert. Zum Grand Prix von Europa kamen 2004 über 20 000 Fans weniger in die Eifel als im Vorjahr. So forderte Formel-1-Boss Bernie Ecclestone „mehr Offenheit und Publikumsnähe“ in seinem PS-Zirkus. 114 000 Fans hatte der Ring bereits 2003 gegenüber 2002 verloren.

Die DTM dagegen boomt. „Es gibt wesentlich mehr Überholmanöver als in der Formel 1. Dazu kommt die Offenheit gegenüber den Fans. Jeder hat die Chance, in die Boxengasse zu kommen, die Fahrer haben fast immer Zeit für ein Autogramm“, sagt Stefan Mücke. Und das alles gibt es für 25 bis 30 Euro im Durchschnitt, einem Zehntel des Eintrittspreises, der in der Formel 1 verlangt wird.

Dass an diesem Wochenende aber nicht nur deswegen sehr viele kommen werden, die Stefan Mücke bei seinem Heimrennen die Daumen drücken, hat einen weiteren Grund. In Italien gewann der Berliner als Siebter zwei Meisterschaftspunkte. Das allein wäre nichts Besonderes, wenn er das nicht in einem Vorjahresmodell von Mercedes geschafft hätte. Dieser Rang ist nach Auffassung von Mercedes-Sportchef Norbert Haug deshalb „so viel wert wie ein Sieg“.

Die Stars der Szene, Christijan Albers und Mattias Ekström, die derzeit das Klassement anführen, sowie die Ex-Formel-1-Fahrer Bernd Schneider, Jean Alesi oder Heinz-Harald Frentzen haben viertürige Limousinen des Jahrgangs 2004 zur Verfügung. Dennoch gibt es bei den zehn Rennen der Saison Chancen für alle. Nicht nur der Bleifuß entscheidet, wie Oliver Bierhoff, der ehemalige Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft und Schwager von Bernd Schneider im Vergleich zu seinem früheren Metier empfindet: „Rennfahrer brauchen mehr Verstand.“ Das wiederum trifft auf die Formel 1 und die DTM gleichermaßen zu.

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