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Trikotwerbung: Weiße Weste oder schwarze Zahlen?

Beim SV Werder Bremen wehren sich erstmals Fans gegen einen Trikotsponsor. Der Bundesligist steckt in einem Dilemma.

22 000 Usern gefällt das. „Wiesenhof als Werder-Sponsor? Nein Danke“ heißt die Facebook-Gruppe, die innerhalb von rund einer Woche solche Zustimmung bekommen hat. Auch im offiziellen Vereinsforum ist die Mehrheit erbost: „Wiesenhof als Trikotsponsor?“ Rund 1100 Personen stimmten ab. Das Ergebnis: 72 Prozent finden: „Eine absolute Katastrophe! Werder sollte sich schämen.“

Wiesenhof, bekannt für unfreiwillig komische Werbung mit Dieter Bohlen und Oliver Kahn („Mann, is’ das ’ne Wurst!“), sorgte zuletzt vor allem mit verdreckten Hühnerställen und überzüchteten Enten für Schlagzeilen. Ein schlechtes Image. Da kam das Sponsoring eines der beliebtesten Fußball-Bundesligaklubs gerade recht.

Die Fans wollen nicht mitspielen. Der Vertrag mit dem umstrittenen Geflügelfleischhersteller hat sie aufgebracht. Zumindest virtuell. Denn im Internet anonym seinem Ärger Luft zu machen und den „Gefällt mir“-Knopf zu drücken, ist eine Sache. Im Stadion zu protestieren, ist eine andere. Wie real ist der Widerstand, wie wichtig ist Fußballfans die wirtschaftsethische Ausrichtung ihres Vereins? Was zählt mehr – gewinnen oder fair spielen?

Manfred Rutkowski vom Bremer Fanprojekt hält sich mit Prognosen zurück: „Das kann man noch nicht abschätzen, wir müssen das Pokalspiel gegen Münster abwarten.“ Beim offiziellen Tag der Fans vor einer Woche demonstrierten zwar Tierschützer gegen den Fleischriesen, „aber das ist auch nicht der Treffpunkt, zu dem die jugendliche Fanszene und die Ultras kommen“. Protest gegen Trikotsponsoren habe es zuvor nicht gegeben. „In der Vergangenheit ging es eher um die Gestaltung des Trikots“, sagt Rutkowski. „Als vor einigen Jahren grün-orangefarbene Trikots vorgestellt wurden, haben die Ultras sich aufgeregt und gerufen: Werder ist grün-weiß.“

Der Bremer Fan-Widerstand gegen die Trikotwerbung ist ein Novum. Immerhin gab es ähnliche Fälle 2009 in Berlin und 2011 beim 1.FC Nürnberg: Der 1. FC Union trennte sich von der Sportrechtefirma ISP, weil deren Chef Jürgen Czilinsky ein ehemaliger Stasi-Offizier war. Und bei den Nürnbergern demonstrierten einige Fans im Stadion nach dem Super-Gau von Fukushima gegen den Sponsor Areva, den weltweit größten Atomkonzern. Breite Fan-Proteste blieben in beiden Fällen aus.

Die Bremer Vereinsspitze steckt derweil in einem größeren Dilemma. Die Verträge für die Trikotwerbung handelt die Vermarktungsfirma Infront aus. Werder kann zwar ein Veto einlegen, aber dann bleibt auch das Geld aus. Ohne das Wiesenhof-Geld – jährlich fünf bis sechs Millionen Euro – sind die internationalen Ambitionen der Bremer kaum umzusetzen. Und ohne sportlichen Erfolg werden auch die Anhänger wieder unruhig. Vor diesem Hintergrund sind auch die Aussagen von Manager Klaus Allofs zu bewerten: „Ich habe auch so ein bestimmtes Bild von Wiesenhof im Kopf gehabt“, sagte der Manager über den neuen Hauptsponsor. „Wir waren dann aber in den Ställen, und ich habe jetzt eine andere Meinung dazu.“

So einfach machen es sich die Fans nicht. Harald Lange, Sportwissenschaftler an der Universität Würzburg und seit Anfang des Jahres Leiter des Instituts für Fankultur, berichtet: „Wir bemerken seit sieben, acht Jahren eine starke Werteorientierung bei jungen Fans.“ Ein Profiverein sei zwar ein Wirtschaftsunternehmen, „aber man kann den Fußball nicht allein mit kommerziellen Gesichtspunkten betrachten“, erklärt Lange. „Weitaus wichtiger als der wirtschaftliche und sportliche Erfolg sind den Fans die Identität ihres Vereins und die Identifikation mit ihm.“ Der Widerstand gegen Wiesenhof ist für Lange eine weitere Facette, wie Fans versuchen, Einfluss auf ihren Verein zu nehmen und sich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs zu wehren. „Ich glaube, dass wir so etwas in Zukunft häufiger erleben werden.“

Laut Vereinsspitze sind beim SV Werder bereits Mitglieder wegen Wiesenhof ausgetreten. „Auf lange Sicht“, vermutet Lange, „könnte der Imageschaden mehr kosten als die fünf Millionen, die der Vertrag eingebracht hat.“ Wie negativ Trikotwerbung wirken kann, zeigt das Beispiel ECD Iserlohn: 1987 warb der klamme Eishockeyverein ein Spiel lang für das Grüne Buch von Libyens Diktator Muammar al Gaddafi, was im In- und Ausland heftig kritisiert wurde. Kurz darauf meldete der ECD Iserlohn Konkurs an.

„Interessant wäre es, in den nächsten Wochen zu beobachten, wie sich der Trikotverkauf entwickelt, und ob die Fans das neue Trikot im Stadion tragen“, sagt Lange. „Ich gehe davon aus, dass es nur wenige sein werden.“

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