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Sport: Triumph und Selbstzweifel

England feiert seine drei Halbfinalisten – und sorgt sich ums Nationalteam

Von Markus Hesselmann

Ein Wort reicht, um die Lage treffend zu beschreiben: „Superpower“ titelte das Massenblatt „Daily Mail“. Politisch ist Großbritannien schon lange keine Weltmacht mehr. Zuletzt demütigte der Iran das einstige Empire mit der Gefangennahme von 15 Royal Marines. Doch im Fußball ist alles anders. Da ist England die einzige verbliebene Supermacht. Drei englische Klubs stehen im Halbfinale der Champions League, des wichtigsten Vereinswettbewerbs der Welt: Manchester United, der FC Chelsea und der FC Liverpool. Die Italiener vom AC Mailand dürfen auch noch mitspielen. Die „Times“ ruft ein „Goldenes Zeitalter“ des englischen Fußballs aus. Vor vier Jahren standen noch drei italienische Teams im Halbfinale, im Jahr 2000 dominierten drei Mannschaften aus Spanien.

Englands Fußball ist eine wahre Weltmacht. Auf allen Kontinenten tragen Kinder und Jugendliche die Trikots englischer Vereine. Erst im Januar verkündete die Premier League einen Fernsehvertrag zu haben, der ihr bis zum Jahr 2010 rund vier Milliarden Euro einbringen soll. Fast eine Milliarde davon kommt aus dem Verkauf von Fernsehrechten ins Ausland. Die Bundesliga muss sich bei den Auslandsrechten pro Saison mit 20 Millionen Euro begnügen. Oligarchen und Tycoone aus aller Welt kaufen englische Klubs auf und pumpen Geld hinein. Das bricht mit Fußballtraditionen und provoziert. Aber es ist erfolgreich. Selbst kleinere Vereine wie Aston Villa oder West Ham United bieten um Weltstars mit.

Doch England wäre nicht England, wenn selbst im größten Triumph nicht Selbstzweifel aufkämen. „Ein bisschen Lust am Untergang“ hat der deutsche Essayist Karl Heinz Bohrer dieses typisch britische Lebensgefühl einmal genannt. Und so beschäftigt der Kontrast zwischen den dominanten Klubs und der schwachen Nationalelf die Kommentatoren.

Die Premier League ist höchst professionell organisiert, und die großen Einnahmen werden in hochklassige Spieler investiert, die mit ihrer starken Technik aus dem hohen Spieltempo den derzeit erfolgreichsten Fußball der Welt machen. In der Liga. „Der größte Spieltag in der Geschichte des englischen Fußballs kommt zu einer Zeit, in der die Nationalmannschaft tiefer und tiefer fällt“, klagt das Boulevard-Blatt „The Sun“ und bittet die Leser um Postkarten und E-mails: „Lösen Sie dieses Rätsel und Sie sind ein Genie.“

Hunter Davies hat es schon vorher versucht. In einer seiner Kolumnen listete der Schriftsteller elf Gründe auf, warum die englische Nationalmannschaft so schlecht ist, dass sie sich womöglich nicht einmal für die EM 2008 qualifiziert. Ein Punkt waren die vielen ausländischen Spieler in der Premier League. Hier sind die aktuellen Fakten aus der Champions League: Beim FC Liverpool standen zwei Engländer in der Startaufstellung, beim FC Chelsea drei. Manchester United aber ging immerhin mit fünf Engländern in das Viertelfinal-Rückspiel gegen den AS Rom und gewann 7:1. Zum Vergleich: Bayern München startete am Mittwochabend mit fünf Deutschen, der AC Mailand mit sieben Italienern. Hunter Davies’ stichhaltigster Grund dürfte die Schwäche der englischen Trainer sein. Die Posten bei den Topklubs sind mit renommierten Ausländern besetzt.

Die Nationalelf trainiert Steve McClaren. Ihn halten die meisten bestenfalls für einen guten zweiten Mann. McClaren hat den Job nur bekommen, weil gerade kein namhafter ausländischer Trainer zur Verfügung stand. McClarens Vorgänger, der Schwede Sven-Göran Eriksson, war ein international anerkannter Trainer. Doch auch er konnte die hohen Erwartungen auf der Insel nicht erfüllen. In die Fußball-WM 2006 ging er als lame duck, als lahme Ente. Eriksson war von der oft überzogenen Kritik und der dauernden Verletzung seiner Privatsphäre zermürbt. Seine Ablösung nach Ende des Turniers stand schon vorher fest. Lahme Enten werden keine Weltmeister.

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