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Sport: Trocken über jede Welle

Jochen Schümann segelt Tag für Tag aufs Meer hinaus – der Berliner, der auf dem Müggelsee anfing, kämpft um den America’s Cup

Auckland. Jochen Schümann hat gelacht. Ha, ha, ha. Laut und deutlich. Zwischen Wellenpeitschen und Windeswehen. Alle haben es gehört. Die Möwen über dem blaugrünen Hauraki Golf, seine Kollegen Russell Coutts und Brad Butterworth, wahrscheinlich sogar sein Chef Ernesto Bertarelli, der neben Schümann auf der 25-Meter-Yacht sitzt. Und natürlich Millionen von Zuschauern vor den Fernsehern. Der Sportdirektor des Schweizer America’s-Cup-Teams Alinghi fällt auf, wenn er mal lacht. Denn Schümann ist eigentlich ein ruhiger Typ. Konzentriert. Wortgewandt. Trocken.

Beim America’s Cup, dem Rennen um die wichtigste Segeltrophäe der Welt, gibt es auch nicht viel zu lachen. Alle haben Angst vor Spionage und Regeln. Alle geben viel Geld aus. Alle haben alles peinlich genau geplant. Damit die hochgezüchteten Plastik- Flitzer schnell übers Wasser gehen. Bei den Seglern wirkt alles schwer und kompliziert. Bis auf die Yachten, die gerade mal eine Tonne über Wasser wiegen.

420 Meter liegt die SUI-64 von Schümann vor dem Verfolger aus den Staaten. Und das Ziel, nach 18 Seemeilen, liegt vor Schümanns Augen – eine unsichtbare Linie, markiert von zwei Booten. Wasser rinnt über sein Gesicht, es riecht nach Salz. Helikopter kreisen über der Segel-Schlacht. Kleine, große Boote. Weiße Yachten, grüne Schoner. Dahinter erhebt sich die Skyline von Auckland. Etwa 100 Schiffe liegen im Halbkreis um das Ziel, schwingend in der unruhigen See. Dazwischen die 70 Meter lange Yacht von Larry Ellison, dem Besitzer von Oracle. Wie ein weißer Wal. Menschen schwingen Schweizer und amerikanische Flaggen. Jubel rauscht über die Wellen.

Schümann ist entspannt. Er ist der erfolgreichste deutsche Segler. Drei Goldmedaillen hat er bei Olympia geholt, einmal im Finn-Dinghi und zweimal im Soling. Er war auch zweimaliger Weltmeister, neunmaliger Europameister, und er war erster deutscher Steuermann beim Louis Vuitton Cup. Das war 1999. Auf dem Berliner Müggelsee hat er als Zwölfjähriger seine ersten Winde erobert. Nun will der 48-Jährige, in dessen Englisch das Berlinische zu erkennen ist, den Ruhm des großen Segelsports. Mit Alinghi ist er auf gutem Wege, den Louis Vuitton Cup zu gewinnen. Falls das gelingt, geht es gegen Neuseeland um den America’s Cup. Die Schweiz könnte den Cup nach 151 Jahren zurück nach Europa segeln.

Die Schweizer und der Deutsche, gemeinsam sind sie schnell. Das schwarze Boot des US-Teams „Oracle BMW Racing“ ist zu langsam. Der schmale Rumpf schiebt sich durch die Wellen, wie durch Quark. Der Wind zerrt an den Segeln, der Spinnaker fliegt vor dem Mast. Das Plastik quietscht und kracht. Wasser fliegt in Wogen über das Deck und trifft den Steuermann Chris Dickson an der Brust. Keine Regung. Der neuseeländische Weltklassesegler ist in einer anderen Welt. Der Blick nach vorn gerichtet, steif und stumm. Dort, wo Schümann segelt und schreit: „Achtung, die Brise kommt!“, reagieren die Männer an Deck schnell und rotieren automatisch wie nach einem Protokoll.

Der Kurs wird noch mal geändert. Schümann trägt eine graumelierte Jogginghose, darüber Boxer-Shorts, darüber das rot-graue Alinghi-Trikot. Sonnenbrille und Schirmmütze. Er sieht aus wie einer dieser Grunge- Fans, die mal Kurt Cobain angebetet haben. Sein Gesicht ist wettergegerbt, rotbraun von der starken Sonne. Steuermann Russell Coutts sieht ganz anders aus: Sonnenmilch hat sein Gesicht verschluckt. Schümann ist Stratege an Bord. Mit dem Neuseeländer Brad Butterworth trifft er die Entscheidungen. Es sagt, welcher Wind der beste ist. Und wo es langgehen soll. Denn: Auf den besten Kurs kommt es an. Bertarelli, der milliardenschwere Gründer von Alinghi, arbeitet ihm zu. Im Sommer 2000 hatte Schümann bei Alinghi unterschrieben. Jetzt organisiert er die Crew an Land und stellt die Mannschaftsliste auf und segelt und segelt und segelt. Sechs Tage in der Woche. Von morgens um zehn bis abends um sechs. Seit November 2001 ist er in Auckland.

Davor war er ein Jahr auf dem Genfer See. Sein bayrisches Zuhause in Penzberg, den alten Wahlkreis von Franz-Josef Strauß, hat Schümann lange nicht gesehen. Das deutsche Brot vermisst er. Und Weihnachten. Von Neuseeland hat er noch nicht viel gesehen. „Ich muss doch segeln", sagt er. Dann ist es so weit. Das Finalhorn erklingt, es wird gejubelt. 1,24 Minuten waren es am Ende. Alinghi hat den ersten von fünf Punkten im Herausforderer-Finale sicher. Hunderte jubeln den Siegern bei ihrer Triumphfahrt in ihr Hauptquartier im Viaduct Hafen zu.

„Das war ein Geschenk", sagt Schümann und lacht. „Oracle hat uns nicht mal mehr angegriffen.“ Er ist selbstbewusst.Warum auch nicht, alles spricht für Alinghi. Nur einmal musste man sich gegen Oracle geschlagen geben. Einmal in sechs Rennen. Ha, ha, ha.

Ingo Petz

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