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Sport: "Trockener Typ" wird bei McLaren-Mercedes offiziell zur Nummer eins

BERLIN .Ziemlich bedeppert zogen sie ab.

BERLIN .Ziemlich bedeppert zogen sie ab.Das Ferrari-Rot, rund um den Hockenheimring allgegenwärtig, hatte kaum noch etwas Stolzes.Nur schnell abhaken und nach Hause.Das ganze Wochenende über gab es für die Tausenden von Fans von Michael Schumacher keinen Grund zur Freude."Ich muß mich bei ihnen entschuldigen, aber mehr als der fünfte Rang war nicht drin.Keine Frage, daß ich enttäuscht bin", meinte der deutsche Star nach dem Rennen ziemlich kleinlaut.Die Gesänge aus dem McLaren-Mercedes-Lager, wo Platznot herrschte, während bei den anderen Team die "Zelte" eiligst abgebaut wurden, waren zusätzliche Nadelstiche.Wer zweifelt noch daran, daß eine Vorentscheidung in der WM gegen den zweimaligen Titelträger gefallen ist? Schlimmer noch dürfte für ihn die Tatsache sein, an Renommee verloren zu haben.Schließlich hat nicht Williams, Jordan, Benetton oder Sauber den Großen Preis von Deutschland gewonnen, sondern das Team der "Silberpfeile" bei seinem Heim-Grand-Prix einen Doppelerfolg eingefahren.

Damit wurde zwar der Weltmeistertitel noch nicht vergeben, doch es existiert nun eine klare Order von oben, auf wen sich alles in den verbleibenden fünf Rennen zu konzentrieren hat: Mika Häkkinen.In der "Stuttgarter Zeitung" gab Mercedes-Vorstand Jürgen Hubbert die Strategie bekannt, der man sich so lange verweigerte: "Das Team fährt künftig für Mika."

Zum ersten Mal glaubt das britisch-deutsche Team wirklich an den Titel, wofür die bisherige Marschroute über den Haufen geworfen werden mußte.Stand bislang die Dominanz der Technik im Vordergrund, gingen Siege - von wem auch immer erzielt - vor Absprachen, so hat ab sofort der Weltmeistertitel oberste Priorität.Nicht das Produkt allein steht mehr im Vordergrund, sondern der Fahrer aus Finnland gleichermaßen."Wir haben das beste Paket", verkündete Häkkinen noch bei der Sieger-Pressekonferenz mit Blick auf den kommenden Grand Prix in Budapest.Die Bestätigung dessen gab Jürgen Hubbert, der Schumacher zwar als "den Ausnahmefahrer in dieser Generation" sieht, mit Häkkinen und Coulthard selbst zwei Fahrer zur Verfügung hat, "die ihm nahekommen".Kurzum, die Überlegenheit der McLaren-Mercedes-Technik ist der entscheidende Faktor in diesem Jahr.

Es wäre nicht Michael Schumacher selbst, und es wären nicht die Spielregeln in diesem Millionen-Geschäft, wenn Ferrari sich fortan in dieser Saison als chancenlos sehen würde."Solange noch eine Chance besteht, kämpfe ich.Meine Motivation für Budapest ist okay.Nun hoffe ich, daß uns der Kurs dort besser liegt", hat der mit 16 Punkten hinter Häkkinen liegende Deutsche den Optimismus nicht verloren.Erstmals sprach er allerdings im selben Atemzug von der neuen Saison.Das sind untrügliche Anzeichen dafür, daß er vom Durchbruch nicht mehr überzeugt ist."Es ist wohl nicht so, daß wir die WM hier oder vor einer Woche in Österreich verloren haben, sondern vielmehr zu Saisonbeginn.Da lagen wir schon 22 Punkte zurück", zog Schumacher sein Fazit, nannte zugleich die für ihn wichtigste Konsequenz daraus: "Völlig klar, die Vorbereitung im nächsten Jahr muß besser sein." Damit ist zugleich ausgedrückt, daß mit entscheidenden technischen Fortschritten 1998 bei Ferrari nicht mehr zu rechnen ist.Zwar spricht er davon, daß es "schwierig sein würde, noch ein Wunder aus dem Boden zu stampfen", aber ein solches ist in dieser Saisonphase, in der die Entwicklung für 1999 längst angelaufen ist, nicht zu erwarten.

Schlimmer dürfte es da für ihn schon sein, daß die deutschen Fans den "trockenen Typ" Häkkinen zu akzeptieren beginnen.Auf entsprechende Ergebnisse von Umfragen verwies Hubbert mit Stolz.Die Siege haben Häkkinen bereits viel lockerer und zugänglicher werden lassen, wenn auch diese Phasen meist nur sehr kurz sind.Nur zwei Beispiele dafür: Nach dem Sieg im badischen Land ging er für einige Sekunden an der Strecke und auf dem Siegerpodest aus sich heraus, nur Minuten später beantwortete er die Fragen mit fast versteinertem Gesicht.Häkkinen ist eben kein aalglatter Strahlemann, eher als schüchtern einzustufen.

Vor dem Deutschland-Grand-Prix hatte er im Untertürkheimer Motorenwerk - gemeinsam mit Coulthard - die ehrenvolle Aufgabe, die letzten Handgriffe am V-Motor Nummer 300 000 vorzunehmen.Lange hatten die vielen Arbeiter in der Produktionsstätte auf ihn gewartet, bedrängten ihn mit ihren Autogrammwünschen.Er erfüllte sie alle, zog das Programm professionell durch.Doch es war ihm einen Tag später anzumerken, daß er sich in der Mercedes-Box unter seinesgleichen offensichtlich wohler fühlte.Es ist sicherlich eine spannende Frage, ob der Gewinn des Weltmeistertitels ("Mein Traum, solange ich Motorsport betreibe") beim im September 30 Jahre alt werdenden Wahl-Monegassen die "Bremsen" löst? Aus dem einstigen Pechvogel ist doch längst ein Glückskind geworden.

Fast entsteht derzeit in der Formel 1 der Eindruck, als würden nur noch zwei Teams um die WM fahren, Entwicklungsarbeit leisten und für 1999 planen.Weit gefehlt, wie die Aufholjagd von Williams-Mecachrome beweist.Dieses Team ist aber auch der Beweis dafür, welcher Rückfall möglich ist, wenn die Erfolge zu Ruhekissen werden.Erst zur Saisonmitte reagierten die Ingenieure auf die Hinweise von Weltmeister Jacques Villeneuve und Heinz-Harald Frentzen, bauten nahezu ein neues Auto.In Hockenheim kam Villeneuve erstmals in diesem Jahr als Dritter aufs Siegerpodest - im elften Rennen.Hinter ihm plazierte sich mit Damon Hill (Jordan-Mugen-Honda) der Champion von 1996, der - gemeinsam mit seinem Teamgefährten Ralf Schumacher als Sechstem - ebenfalls die Fortschritte in seinem Team nachwies.

Das Problem für sie alle ist die Zuverlässigkeit von McLaren-Mercedes.Solange die "Silberpfeile" nicht ausfallen, sich normalerweise dahinter Ferrari einordnet, bleiben die Leistungen der "zweiten Reihe" fast unbeachtet.

Nur ihre Fans, wenn auch eindeutig in der Minderheit, wissen das zu würdigen.Sie zogen aus Hockenheim in bester Laune ab.

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