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Abkassieren und Tee trinken? Bei Galatasaray verdient der deutsche Nationalspieler Lukas Podolski künftig angeblich drei Millionen Euro im Jahr, plus Prämien. Geld, das türkischen Talenten in der Nachwuchsarbeit fehle, bemängeln Kritiker. 

© dpa/Tosun

Türkische Süper Lig: Zweifelhafte Aussichten für alternde Stars

Lukas Podolski, Mario Gomez, Robin van Persie: Stars mit großen Namen wechseln in die türkische Süper Lig. Doch an der Güteklasse der Kicker gibt es Zweifel. Die glorreiche Vergangenheit kann über die dürftige Gegenwart kaum hinwegtäuschen.

Die Flugsicherung am Atatürk-Airport in Istanbul kann einem Leid tun. Fast im Wochentakt versammeln sich dort derzeit türkische Fußballfans vor den Toren, sie grölen, hüpfen und zündeln mit Bengalos. Der Grund sind immer neue Stürmerstars, die aus der Schleuse ins Freie treten, sich einnebeln und besingen lassen und Schals hochhalten müssen. Robin van Persie reckte Strickware von Fenerbahce empor, Lukas Podolski von Galatasaray und Mario Gomez von Besiktas Istanbul.

Die Spitzenklubs der türkischen Süper Lig haben für die neue Saison eine ganze Reihe von weltbekannten Namen verpflichtet. Selbst Aufsteiger Antalyaspor leistete sich mit Samuel Eto’o einen einstigen Weltklassestürmer und hätte mit Ronaldinho fast einen zweiten verpflichtet.

Die meisten der Neuzugänge befanden sich vor ihrer Ankunft in Istanbul zwar im Sinkflug ihrer Karriere, kosten aber immer noch viel Geld. Der Deutsche Gomez erhält bei Besiktas angeblich 3,5 Millionen Euro im Jahr, der Niederländer van Persie verdient fünf Millionen Euro, Podolski bekommt drei Millionen Euro, plus Prämien, versteht sich. Kritiker bezweifeln, dass sich die Einkaufstour auf Dauer auszahlen wird. Spötter sprechen von der türkischen Liga als „Elefantenfriedhof“ oder „MLS Europas“, nach der US-Liga, wo viele Europäer ihre Karriere lukrativ entlohnt ausklingen lassen.

Das traditionelle Spitzentrio des türkischen Fußballs, Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray, steht nicht nur in der Süper Lig permanent in Konkurrenz, sondern auch auf dem Transfermarkt. Hinzu kommt, dass Vizemeister Fenerbahce nach zwei Jahren Ausschluss von europäischen Wettbewerben wieder für die Champions League aufrüstet. Und die anderen rüsten mit. Mit den ausländischen Stars wollen sich die Klubs die nötige Qualität und Erfahrung zulegen, um neben den besten Teams des Kontinents zu bestehen.

Doch bestehen Zweifel an der Güteklasse der Neuzugänge, nicht ihrer glorreichen Vergangenheit wegen, sondern aufgrund der dürftigen Gegenwart. Van Persie erzielte in der vergangenen Saison nur zehn Ligatreffer für Manchester United, Mario Gomez vier Tore für den AC Florenz und Lukas Podolski kam zusammengerechnet auf einen Saisontreffer für den FC Arsenal und Inter Mailand. Deshalb und weil alle drei die Marke von 30 Jahren bereits überschritten haben, waren sie wohl nur bereit, in die sportlich eher zweitklassige Süper Lig zu wechseln, die jedoch erstklassige Gehälter zahlt.

Die teuren Stars funktionieren bei den türkischen Klubs nur bedingt

Bisher hat das Verpflichten gealterter Stars für türkische Klubs nur bedingt funktioniert. Vor zwei Jahren holt sich Galatasaray Wesley Sneijder, der in der neuen Saison mit Podolski für die Istanbuler spielt, und den inzwischen abgewanderten Didier Drogba. Für einen europäischen Titel reichte es nicht, dafür wartete der Niederländer Sneijder vergangene Saison drei Monate auf sein Gehalt. Der Uefa-Cup-Sieg Galatasarays, der einzige europäische Triumph eines türkischen Vereins, liegt nun schon 15 Jahre zurück.

Zwar fanden schon viele international renommierte Spieler irgendwann – meist gegen Ende ihrer Karriere – den Weg in die Türkei; der ehemalige deutsche Nationaltorwart Toni Schumacher war einer der ersten. Auch Trainer Christoph Daum erlebte am Bosporus viele Erfolge. Doch derzeit tummeln sich ganz besonders viele prominente Legionäre in Istanbul und anderen türkischen Städten. Sponsoren, Gewinne aus den Fernsehrechten und reiche Privatleute liefern das nötige Geld dazu, zur Not auf Kredit und mit Verspätung.

Ob sich die türkischen Klubs auf Dauer die teuren Neuzugänge leisten können, interessiert Kritiker des Systems aber nur am Rande. Sie beklagen eine Vernachlässigung der Nachwuchsarbeit. Anfang des Jahres hob der Fußballverband die Begrenzung für ausländische Spieler auf – seitdem darf ein türkischer Klub mit elf Ausländern in der Startelf antreten.

Die Statuten sehen zwar vor, dass von 28 Spielern mindestens 14 Türken sein müssen. Doch die Regelung ignoriere das eigentliche Problem, kritisiert der Fußballkommentator Mehmet Demirkol von der Sportzeitung „Fanatik“. Denn zu den einheimischen Spielern werden auch türkische Akteure aus Deutschland gezählt – doch auch die werden von den Vereinen eingekauft, die eigene Jugendarbeit rückt in den Hintergrund. Dabei könnte das türkische Nationalteam Talente gebrauchen, es droht, als Gruppenvierter wieder einmal die EM-Qualifikation zu verpassen. Doch Nachwuchsspieler werden selten mit Bengalos am Flughafen empfangen.

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