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Ringen

© Thilo Rückeis

Türkischer Ringerverein Berlin: „Wir könnten ein paar Blonde brauchen“

Der Türkische Ringerverein Berlin ist der einzige türkische Klub in einer deutschen Bundesliga. Sogar der türkische Ministerpräsident Erdogan gratulierte nach dem Aufstieg.

Berlin - Das Training beginnt international, „Salam aleikum“ ruft Mannschaftskapitän Ramazan Aydin den zwanzig kräftigen Männern zu. Diesen Gruß verstehen alle, ob sie nun aus Berlin kommen, aus Rumänien oder der Türkei. Aydin leitet an diesem Tag das Training, er lässt alle in einer Reihe aufstellen und durchzählen – auf Türkisch. Wenigstens ein bisschen Türkisch sollte jeder hier können, das gehört zur Identität des Klubs, des Türkischen Ringervereins Berlin. 1981 wurde der Verein gegründet und gerade erlebt er seinen bisherigen Höhepunkt: Nach dem Aufstieg in diesem Jahr ist er der einzige türkische Verein in einer deutschen Bundesliga – und dann auch noch im türkischen Nationalsport Ringen.

In ihrer Trainingshalle in Mitte an der Grenze zu Kreuzberg absolvieren die Ringer an diesem Tag gleich ein sehr traditionelles Krafttraining mit Liegestützen auf einer Bank und Klimmzügen am Basketballkorb. Sie sollen in Hochform sein – an diesem Samstag kämpfen sie beim ebenfalls bislang unbesiegten 1. Luckenwalder SC. „Da wollen wir uns nicht abschlachten lassen“, sagt Aydin.

In der Bundesliga Nord sind sie fast gleichauf, aber es ist dennoch ein ungleiches Duell. Der Berliner Klub hat gerade mal einen Etat von 60 000 Euro zusammengebracht, der Deutsche Vizemeister Luckenwalde 400 000. Trotzdem sehen sie in Luckenwalde den neuen Gegner als Attraktion, „das könnte sich einmal zu einem richtigen Derby entwickeln“, sagt der Geschäftsführer Bernd Fassbender.

Der Türkische Ringerverein hat überhaupt viel Furore verursacht. Als der Aufstieg feststand, schickte sogar der türkische Ministerpräsident Erdogan einen Glückwunsch, türkische Medien berichteten ausführlich, und Klubs in der Türkei entsandten drei Profiringer nach Berlin, die jetzt das Bundesligateam verstärken.

Inzwischen ist es wieder ruhiger geworden, vielleicht etwas zu ruhig. Zwar haben sich seit dem Aufstieg einige Nachwuchsringer angemeldet, aber gegen den Fußball kommen die Ringer einfach nicht an. Zu den ersten Kämpfen kamen nur etwa 300 Zuschauer. Beim Aufstieg waren es mehr als 1000. „Die meisten haben noch gar nicht gemerkt, dass unsere Saison schon angefangen hat“, sagt Kapitän Aydin, ein gebürtiger Berliner mit doppelter Staatsbürgerschaft, der viele Jahre für Klubs wie Aalen und Goldbach in der Bundesliga gerungen hat. Die niedrigen Zuschauerzahlen erklärt er sich mit dem Ramadan, der bei den ersten Heimspielen noch lief und dem zu hohen Eintrittspreis von 10 Euro. Mittlerweile haben sie ihn halbiert. Das soll sich schon am nächsten Mittwoch bemerkbar machen, wenn sie in der Weddinger Louise-Schröder-Halle den Tabellendritten KFC Leipzig empfangen. Den wollen sie besiegen, um ihrem Ziel Viertelfinale näherzukommen.

Deutsche Zuschauer hat Aydin bislang kaum gesehen. Obwohl sie sich als Berliner Klub verstehen, scheinen sie festzuhängen in der türkischen Gemeinschaft. Zu ihren wichtigsten Sponsoren zählen eine türkische Spedition und eine türkische Geflügelfirma. Auch der Vereinsvorsitzende Ibrahim Dedeoglu ist Geschäftsführer eines Lebensmittelladens. Selbstkritisch sagt er: „Wir haben sicher zu wenig Werbung gemacht. Vielleicht sind wir als Vorstand auch ein bisschen zu schwach. Wir haben einfach zu wenig aktive Leute.“ Deshalb kämen auch kaum neue Ideen und kaum neue Gesichter. Er schwenkt seinen Arm durch die Trainingshalle: „Sie sehen es ja: lauter Schwarzhaarige, aber wir könnten ruhig ein paar Blonde gebrauchen.“

Zwei deutsche Bundesligaringer hat Kapitän Ramazan Aydin nach Berlin locken können, andere haben ihm abgesagt. „Manche wollten nicht kommen, weil wir ein türkischer Verein sind. Sie haben gedacht, dass sie bei uns ihr Geld nicht bekommen. Aber wir halten unsere Versprechen.“ Auch er sagt: „Wir brauchen mehr Hilfe von außen, jeder Deutsche ist herzlich willkommen.“ Der Türkische Ringerverein wäre wohl am liebsten ein Berliner Multikultiklub.

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