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Turnen: In Riege siegen

Verstärkung für Fabian Hambüchen: Auch Philipp Boy und Matthias Fahrig turnen jetzt in der Spitze mit.

Berlin - Am Wochenende ist ein alter Begriff ins deutsche Turnen zurückgekehrt: die Riege. Er schien zwischendurch verschwunden zu sein, denn wenn es ums deutsche Turnen ging, dann eigentlich immer nur um einen, Fabian Hambüchen. Doch Hambüchen hat jetzt Verstärkung bekommen. Vor allem von Matthias Fahrig und Philipp Boy. Zusammen haben sie in Mailand das beste Ergebnis der deutschen Turner bei einer Europameisterschaft seit 20 Jahren erreicht.

Diese Riege ist eine Mannschaft von höchst unterschiedlichen Turnern. Ganz vorne steht Hambüchen, der Weltmeister am Reck, in Mailand mit zweimal Gold (darunter im Mehrkampf) und einmal Bronze der erfolgreichste Teilnehmer. Die altdeutsche Sportart hatte er in den vergangenen Jahren mit viel Glanz überzogen. Mit so viel Glanz, dass diejenigen hinter ihm kaum noch zu sehen waren. Doch Matthias Fahrig war bei dieser Europameisterschaft wirklich nicht zu übersehen. Am Boden gewann er hinter Hambüchen die Silbermedaille, am Sprung noch einmal Bronze. „Er ist ein Diamant“, sagte Hambüchen über ihn.

Bei Fahrig kommt es jedoch auch auf den Schliff an. Der Sohn einer Deutschen und eines Kubaners war schon einmal auf dem besten Weg in die Spitze, aber genauso wichtig wie das Turnen schien ihm die Feier danach. Das unterscheidet ihn beispielsweise von Hambüchen, der es nicht nur durch sein Talent so weit gebracht hat, sondern auch durch seine Disziplin. Zum Training kam der 23 Jahre alte Hallenser Fahrig einige Male zu spät und zog noch um die Häuser, während seine Mannschaftskollegen schon im Bett lagen. Deshalb flog er aus der deutschen Riege. Die Olympischen Spiele liefen ohne ihn.

Inzwischen verlagert er jedoch die Party einfach in die Halle und begeistert das Publikum nicht nur mit seinen Übungen, sondern auch mit seinen Gefühlsausbrüchen. Er feuert sich und andere an, das kann dem Turnen nur guttun. „Ich muss natürlich aufpassen, dass ich nicht wieder Mist mache und einen Anschiss kriege“, sagt er. Der deutsche Cheftrainer Andreas Hirsch hat nun einiges mit ihm vor: Er will aus ihm einen kompletten Turner machen. „Wir brauchen Turner, die alle Geräte beherrschen“, sagt Hirsch. Er will eine deutsche Riege aufbauen, die es bei den Olympischen Spielen 2012 in London auch mit Asiaten und Amerikanern aufnehmen kann.

Von den Turnern, die alle Geräte beherrschen, hat die deutsche Männermannschaft schon zwei. Hambüchen und Philipp Boy. Der wurde in Mailand Vierter im Mehrkampf und glaubte nach einer nicht ganz gelungenen Reckübung eine Medaille verpasst zu haben. Doch Hirsch sieht es etwas anders. „Platz vier war das Maximum, was seinen Leistungsstand betrifft. Sein Programm ist renovierungsbedürftig, wenn er für eine Medaille anklopfen will.“

In gewisser Weise turnt Boy mit einer gegensätzlichen Einstellung wie Fahrig. „Wenn ich Philipp mit einem Tennisspieler vergleiche, dann ist er ein Returnspieler, der auf Fehler der anderen wartet“, sagt Cheftrainer Hirsch. Fahrig dagegen ist Angriffsspieler, er zeigt auch mal eine riskante Übung. In Mailand war das beim Sprung der so genannte Dragulescu, ein Überschlag-Doppelsalto mit halber Drehung, benannt nach dem rumänischen Turner Marian Dragulescu. So gut wie bei der EM war er Fahrig selbst im Training kaum gelungen. „Ich bin aus dem Häuschen“, sagte er. Nach seinem gemeisterten Dragulescu fürchteten einige in der deutschen Mannschaft schon, dass er vor lauter Ausgelassenheit seinen zweiten Sprung verpatzen würde. Doch Matthias Fahrig hat beim Feiern gerade die richtige Balance gefunden. (mit dpa)

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