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Alleine oben. Am Reck, wo sonst vor allem Fabian Hambüchen glänzte, will sich nun Philipp Boy in die Höhe schrauben.

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Turnen: Nur noch ein Hauptdarsteller

Der verletzungsbedingte Ausfall von Fabian Hambüchen für die Turn-Europameisterschaften im April in Berlin drängt nun Philipp Boy alleine in die Favoritenrolle.

Berlin - Ein Duell sollte es werden, wie es das deutsche Turnen noch nicht erlebt hat. Fabian Hambüchen und Philipp Boy streiten um die Nummer eins, zwei Athleten aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands, Hambüchen aus Hessen, Boy aus Brandenburg. Der eine, Hambüchen, hat ein Buch über sein bisheriges, 23 Jahre dauerndes Leben schreiben lassen, der andere hat ihn dafür ausgelacht. Im April sollten sie ausmachen, wer denn nun der Beste ist. Nur ist im Training etwas dazwischengekommen, ein Rückwärtssalto, bei dem sich Hambüchen die Achillessehne gerissen hat, am Montag ist er operiert worden.

Die Europameisterschaften vom 6. bis zum 10. April in der Berliner Max-Schmeling-Halle finden ohne Hambüchen statt. Das Duell, das so spannend hätte werden können, als wenn Eberhard Gienger und Andreas Wecker im gleichen Alter aufeinandergetroffen wären, fällt aus. „Eine bittere Pille für den Athleten“, sagt Bundestrainer Andreas Hirsch, zumal es schon der x-te Rückschlag in Hambüchens Karriere ist und die Karrieren von Turnern gewöhnlich nicht lange dauern. Die Achillessehne war schon im vergangenen Jahr entzündet und hatte Hambüchens Start im Mehrkampf, am Sprung und Boden bei der vergangenen WM in Rotterdam verhindert. Bei der WM 2009 in London hatte er wegen eines Außenbandrisses am Knöchel gar nicht mitturnen können.

Die Turn-EM in Berlin findet ohne Fabian Hambüchen statt.
Die Turn-EM in Berlin findet ohne Fabian Hambüchen statt.

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Die Operation hat Johannes Peil aus Bad Nauheim durchgeführt, der auch Michael Schumacher behandelt. Eine Prognose wollte er nicht abgeben. Die Operation sei gut verlaufen, jetzt müsse die Reha bewirken, dass die Sehne gut durchblutet werde und „nicht ein Klotz an der Stelle hängt, wo früher ein Loch war“, wie Peil sagte.

Es dürfte auf jeden Fall einige Monate dauern, bis Hambüchen wieder springen kann. Der Bundestrainer hat schon die nächsten Entscheidungen im Blick, „für uns Turner ist dieses Jahr das Qualifikationsjahr für die Olympischen Spiele“. Bei der WM im Oktober in Tokio qualifizieren sich die ersten acht Mannschaften für Olympia 2012 in London. Anfang 2012 kommen dann noch einmal vier dazu. In London möchte Hambüchen gerne das nachholen, was er sich schon für Olympia 2008 in Peking vorgenommen hatte, die Goldmedaille am Reck.

Kampflos ist jetzt erst einmal Philipp Boy die Nummer eins in Deutschland, und im April könnte er es auch in Europa werden. Seine WM-Silbermedaille im Mehrkampf im vergangenen November hinter dem Japaner Uchimura macht ihn zum großen Favoriten für Berlin. Doch Bundestrainer Hirsch hat schon eine Warnung an ihn ausgesprochen: „Wenn du denkst, dass du der Favorit bist, hast du schon das erste Problem.“ Denn nur wenn er bei null anfange, könne er auch angreifen. „Du kannst doch nicht etwas verteidigen, was du nicht hast.“ Eine Favoritenrolle sei eben kein Titel, sondern nur Schnickschnack.

Dass nun ohne Hambüchen weniger los sein wird bei der EM, befürchtet der Deutsche Turner-Bund nicht. „Für die beiden Finaltage haben wir nur noch Restkarten“, sagt Uschi Schmitz, die für den Kartenverkauf zuständig ist. 7000 Plätze fasst die Schmeling-Halle bei der EM. „Ich glaube nicht, dass der Vorverkauf ohne Hambüchen schlechter gelaufen wäre“, sagt Schmitz. Es scheint, als sollte das deutsche Turnen bei dieser EM beweisen, dass es auch ohne seinen erfolgreichsten Athleten eine gute Figur machen kann.

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