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Sport: Turnen rettet

Oksana Schusowitina ist mit 28 Jahren noch aktiv – auch für ihren leukämiekranken Sohn

Cottbus. Oksana Schusowitina ist seit mehr als 20 Jahren Leistungsturnerin, und es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass ihr dabei ein Stück Kindheit verloren gegangen ist. Das harte Training, der strenge Umgang mit dem eigenen Körper, die vielen Reisen, all das hat sie in Kauf genommen. Doch die Usbekin ist dafür belohnt worden. Schon 1991 wurde sie Weltmeisterin am Boden, 1992 gewann sie bei den Olympischen Spielen in Barcelona die Goldmedaille mit der Mannschaft der GUS und im vergangenen Jahr wurde sie im kalifornischen Anaheim mit 28 Jahren Weltmeisterin im Sprung. Der größte Lohn aber ist ein anderer: Wäre sie nicht Turnerin, ihr vier Jahre alter Sohn Alisher wäre nicht mehr am Leben.

Alisher hat Leukämie. Die Krankenhäuser in ihrer Heimatstadt Taschkent waren mit dieser Krankheit überfordert. Also hat sie ihren Sohn nach Moskau gebracht. Dort sagte man ihr, sie müsse 20 000 Dollar in bar anzahlen, und ob die Medikamente ausreichten, könne man ihr nicht versprechen. Schließlich wandte sich Oksana Schusowitina im Herbst 2002 an ihre Turnfreunde in Deutschland. Seit 1997 hat sie immer wieder für das Team Toyota Köln geturnt. Gert-Peter Brüggemann, Vater der deutschen Nationalturnerin Lisa Brüggemann, holte Mutter und Sohn sofort nach Köln. Gemeinsam mit Freunden hat er dafür gebürgt, dass sie die Behandlungskosten irgendwann begleichen kann. Eine Krankenversicherung für Deutschland hatte sie schließlich nicht.

Durch Brüggemanns Beziehungen konnte Schusowitinas Sohn gleich in der Kölner Universitätsklinik behandelt werden. Sie selber bezog eine Wohnung, die fünf Minuten von der Klinik entfernt lag. „Ich habe gleich gemerkt, dass alles für uns getan wird“, erzählt sie. Menschliche Unterstützung haben Oksana Schusowitina und ihr Sohn erhalten, aber auch viel materielle. Das Turn-Internetforum Gymmedia sammelte allein 20 000 Euro, insgesamt sind bisher mehr als 70 000 Euro zusammengekommen. Die Behandlung kostet mehr als 80 000 Euro. In sechs Blöcken ist Alisher mit Chemotherapie behandelt worden. „Mit Alisher waren insgesamt fünf Kinder im Zimmer, vier davon sind gestorben“, sagt Oksana Schusowitina. Ihr Sohn kam ohne Transplantation von Knochenmark aus. „Seine Heilungschancen liegen bei 80 Prozent. Er fühlt sich gut.“

Deswegen erzählt sie inzwischen auch gerne von ihrem Sohn. In Cottbus etwa, beim Turnier der Meister, wo sie auch in diesem Jahr den Wettbewerb im Sprung gewonnen hat. Sie war wieder die älteste Teilnehmerin, eine Mutter zwischen Turnteenies. In diesem Jahr wird Oksana Schusowitina noch einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen. Danach wird sie ihre internationale Laufbahn wohl beenden, die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen und auch ihren Mann nach Köln holen. Vom Turnen wird sie sich aber nicht abwenden, denn es hat ihr lebensrettende Kontakte für ihren Sohn verschafft und es ihr leichter gemacht, mit ihren Sorgen umzugehen.

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