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36 Jahre auf dem Balken. Tschussowitina tritt auch bei der EM noch an. Foto: AFP

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Sport: Turnende Cheftrainerin

Oksana Tschussowitina startet für Deutschland und coacht Usbekistan

Berlin - Ulla Koch wohnt in Bergisch-Gladbach, das ist praktisch, sie muss nicht weit fahren, um Oksana Tschussowitina zu sehen. Ein kurzer Trip ins Turn-Leistungszentrum Bergisch-Gladbach genügt. Dort trainiert Tschussowitina vorwiegend. Ein- oder zweimal pro Woche beobachtet die Chef-Bundestrainerin, wie die Olympiazweite im Sprung von 2008 so drauf ist. Manchmal sagt Ulla Koch ihrer erfahrensten Athletin zum Abschied: „Tschüss, Kollegin.“ Sie meint dann Oksana Tschussowitina, die Nationaltrainerin der Frauenriege von Usbekistan.

Wenn Usbekistan zum europäischen und nicht zum asiatischen Verband gehörte, dann wäre Oksana Tschussowitinas Doppelrolle bei der EM in Berlin, die am Mittwoch beginnt, noch aparter. Einerseits soll sie „im Sprung ins Finale kommen“, das erwartet Ulla Koch von ihr, andererseits würde sie dann die Konkurrenz der deutschen Riege coachen.

Seit Ende 2009 ist Tschussowitina, Mannschafts-Olympiasiegerin von 1992 (mit der Team der GUS), Trainerin der usbekischen Frauen-Riege, Koch hat damit grundsätzlich auch keine Probleme. „Sie muss an ihre Zukunft denken, da möchten wir ihr keine Steine in den Weg legen.“ In Russland hatte Tschussowitina mal ihren Trainerschein erworben, als Coach gearbeitet hatte sie danach freilich nie. Sie turnte sich lieber aufs Treppchen. Allein im Sprung gewann sie bisher acht Medaillen. Aber sie ist jetzt 36, sie will bald aufhören, sie hat Mann und Sohn in Usbekistan, sie muss anders denken als eine 16-Jährige.

Ulla Koch und die ganze Führung des Deutschen Turner-Bundes (DTB) hätten allerdings nicht so leicht eingewilligt, wenn Tschussowitina sich nicht an die Regeln halten würde. „Wenn sie für Deutschland turnt, konzentriert sie sich ganz auf den Wettkampf. Das muss ich von ihr aber auch verlangen“, sagt Koch. Und wenn sie als Athletin auftritt, dann bewegt sich Oksana Tschussowitina auch nicht hierarchisch auf Augenhöhe mit der Chef-Bundestrainerin. „Das Verhältnis hat sich nicht geändert“, sagt Ulla Koch. Tschussowitina kommt ihr nicht mit klugen, trainingsmethodischen Monologen, im Gegenteil: „Oksana hat viel von unserem Training für ihre Arbeit übernommen.“ Sie spielt sich auch nicht vor ihren Teamkolleginnen als Madame Allwissend auf.

Tschussowitina ist vor allem die Chefstrategin ihrer Riege, die Arbeit an den Geräten machen oft drei andere Trainer. Die ganze usbekische Frauen-Mannschaft trainiert monatelang in Bergisch-Gladbach, ihr Verband bezahlt Hotel und sonstige Unkosten, alles klar geregelt also. Auch wenn die Cheftrainerin Tschussowitina selber übt und ein paar Meter weiter zugleich ihre Athletinnen an den Geräten arbeiten, ist alles klar besprochen. Tschussowitina konzentriert sich auf ihre Arbeit, sie unterbricht nicht einfach mal kurz ihre Übungen, um quer durch die Halle Anweisungen zu geben. Die operative Arbeit machen in der Zeit ihre Trainer. Es gab auch die Überlegung, die 36-Jährige im DTB unterzubringen, als Juniorentrainerin zum Beispiel, das scheiterte aber an der fehlenden Planstelle.

Ihre Doppelrolle konnte Tschussowitina bei der WM 2010 ausleben, da startete sie gleichzeitig für Deutschland und betreute Usbekistan. Kein Problem. „Sie hat das total ausgeblendet, als sie für Deutschland turnte“, sagt Koch. Und im Übrigen, die ganz große Konkurrenz sind die Usbekinnen nun auch wieder nicht. „Sie sind mit uns“, sagt Ulla Koch lächelnd, „nicht ganz auf Augenhöhe.“

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