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Perfekte Haltung. Wenn Johanna Quaas loslegt, machen auch die kleinen Kinder große Augen.

© dpa

Turnfest in Berlin: Johanna Quaas: In den Stütz mit 91

Johanna Quaas ist die älteste Wettkampfturnerin der Welt. Auf dem Turnfest bringt sie das Publikum mal wieder zum Staunen.

Es ist wie immer. Sie trägt ihren grünen Turnanzug, sie hat wie immer ihre Aufwärmübungen gemacht und wie immer hat sie sich nicht von den vielen Kameras stören lassen. Johanna Quaas befindet sich in einer der Messehallen am Berliner Funkturm. Sie ist Teilnehmerin beim Internationalen Deutschen Turnfest und schwingt sich auf ihr Lieblingsgerät, den Barren. Sie macht das alles ordentlich. Hier und da ist ein Wackler zu erkennen, der Stütz könnte länger andauern. Sie kann es besser. Doch Quaas weiß inzwischen, dass im Leben nichts wie immer ist. Jeder Tag und jeder Wettkampf ist anders. An manchen Tagen flutscht es einfach, an manchen nicht. Quaas weiß überhaupt viel vom Leben. Sie hat das Licht der Erde erblickt, als der Zweite Weltkrieg noch 14 Jahre entfernt war. Sie wird noch in diesem Jahr 92 Jahre alt und dass sie in diesem Alter den Stütz am Barren schafft oder auf der Turnbank vom Kopfstand blitzsauber abrollt, ist eine sportliche Sensation.

Quaas ist die älteste Wettkampfturnerin der Welt. Sie steht deswegen im Guinness-Buch der Rekorde, sie ist aufgenommen worden in die „International Gymnastics Hall of Fame“ und der Andrang am Dienstag in der Messehalle 26 zeigt, dass die Menschen mit eigenen Augen sich überzeugen wollen, wie so etwas in diesem Alter möglich ist.

Im Internet ist Quaas schon lange ein Star. Youtube-Videos, häufig als „Turn-Oma“ betitelt, wurden millionenfach abgespielt. „Man kennt sie auf der ganzen Welt“, sagt ihr Medienberater Eckhard Herholz. Es gebe überall Anfragen, sagt er. Vor wenigen Wochen etwa befand sich Quaas auf einer Tour rund um den Globus mit Stationen unter anderen in den USA und Asien. In Singapur, erzählt Herholz, sei sein Schützling einmal länger alleine unterwegs gewesen, als ein Monsun niederging. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Aber ein Einheimischer hat sie erkannt und ihr geholfen. Er sagte später: ’Ich kenne zwei Deutsche: Angela Merkel und Johanna Quaas.'

Herholz ist dafür da, die unseriösen Anfragen von den seriösen auszusortieren. „Neulich fragte ein Veranstalter, ob sie für einen Bungee-Jump zur Verfügung steht“, erzählt Herholz. „Diese Sensationsmacherei wollen wir nicht. Wir wollen mit Johanna Werbung für das Turnen machen.“

Gerne würde Quaas als Botschafterin für das Turnfest werben. Man habe beim Deutschen Turner-Bund (DTB) angefragt – erfolglos. Dabei wäre es eine hübsche Idee, wenn der Verband noch stärker nach Vorzeigeturnerin für die vielen älteren Aktiven suchen würde. Die nimmermüde Johanna Quaas wäre sicher für viele ein großes Vorbild.

"Ich dachte, irgendwann muss Schluss sein"

Quaas wuchs im Burgenlandkreis auf. Ihr sportliches Vorbild war ihr Vater, durch und durch ein Turner. Sie eiferte ihm nach. „Schon im frühen Kindesalter habe ich Aufschwünge geübt, bin an Stangen hochgeklettert. Ich hatte diesen Bewegungsdrang in mir“, sagt sie. Sie sollte ihn nicht mehr loswerden – auch wenn es Unterbrechungen gab. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg etwa, als die Besatzungsmächte das Turnen verboten hatten.

Quaas sollte aber noch Karriere mit dem Turnen machen. Zuerst als Sportlehrerin am Institut für Körpererziehung in Halle, dann als Trainerin beim SC Chemie Halle. Unter ihrer Anleitung schafften es die Turnerinnen Barbara Dix-Stolz und Christel Felgner-Wunder, sich für die Olympischen Spielen 1964 in Tokio zu qualifizieren.

Der zweite Strang ihrer Turner-Karriere begann im zarten Alter von 57 Jahren. Quaas wollte wieder wetteifern mit den anderen. Sie konnte nicht loslassen, vor allem nicht vom Barren, ihrem Lieblingsgerät. Sie gewann elf Mal die Seniorenmeisterschaften in Folge, dabei war sie viel älter als alle anderen. Quaas muss mangels Teilnehmer meist in der Regel in der Altersklasse 75 bis 80 Jahre antreten. Als sie 2011 die Konkurrenz erneut deklassierte, hatte sie genug. „Es war mir unangenehm, mit fast neunzig oben zu stehen. Ich dachte, irgendwann muss Schluss sein.“

Doch wieder war der Drang nach Bewegung zu groß. Für das diesjährige Turnfest meldete sie sich wieder für die Seniorenmeisterschaften an. Sie hatte sich ein halbes Jahr darauf vorbereitet. Quaas’ Geheimnis sei keines, sagt sie. Es sei ihr Wille und ihre Lust, immer noch in die Halle zu gehen und zu trainieren. Mindestens zweimal in der Woche. Außerdem mache sie nach dem Aufstehen Mobilisationsgymnastik.

Am Dienstag beendete sie den Wettkampf in der Klasse „70 Jahre plus“ als Fünfte. In ihrer Altersklasse war sie alleine. Quaas war nicht zufrieden. Die Frau macht nicht den Eindruck, als wäre es das jetzt für sie gewesen mit dem Turnen, auch nicht mit 91 Jahren.

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