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Twitter im Sport: Wo Armstrong harmlos und sympathisch wirkt

Lance Armstrong und viele andere US-Sportler nutzen Twitter zur PR und Image-Pflege. Auch in der Bundesliga zwitschern zwei Fußballprofis.

Wie clever Lance Armstrong die interaktiven Medien nutzt, belegt seine neue Kampagne: der Chalkbot. Es handelt sich um einen Kreidewagenroboter, der die Straßen auf der Tour de France beschriftete. Die Texte schickten Armstrong-Fans per SMS oder Twitter. So verknüpfte Armstrong eine Tradition erfolgreich mit dem Neuen, denn bei der Großen Rundfahrt war noch nie ein Quadratmeter Asphalt vor den Botschaften der Zuschauer und Fans sicher.

Auf dem Mikroblog-Dienst Twitter ist Lance Armstrong allgegenwärtig. Hier lässt er seine rund 1,6 Millionen Buddies per Mobiltelefon zum Beispiel wissen, wie oft er zum Doping-Test muss. (Leider nicht, wie oft er einen verpasst.) So beeinflusst und übergeht er die Presse – und zwar live. Ein perfektes PR-Instrument für Armstrong, der mit Nachrichten aus dem Alltag von seiner zweifelhaften Vergangenheit ablenken kann. Zurzeit, erfahren wir, macht er Urlaub auf den Bahamas und badet. Ab und an lädt er auch ein Bild aus seiner Kindheit oder vom gemeinsamen Rotwein mit Eddy Merckx hoch. Hier wirkt der ehemalige Dominator des Pélotons und vielleicht künftige US-Präsidentschaftskandidat harmlos und sympathisch.

Die meisten US-Sportler pflegen ihren Twitter-Account, sie nutzen ihn als weiteren Kanal, um mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Mit 1,8 Millionen Abonnenten rangiert der NBA-Star Shaquille O’Neal auf Platz 10 der Twitterweltrangliste. Mit seinem Hip-Hop-Slang ("dis is what I wuz talkn about") spielt er mit seinem Coolness-Faktor und steigert seine street credibility. Sein NBA-Kollege Charlie Villanueva musste sich von seinem Trainer maßregeln lassen, weil er in der Halbzeit einen Tweet gesetzt hatte: "Der Trainer will mehr Härte. Ich muss mich steigern." Und der Golfspieler John Daly bestätigt seinen Ruf als Raudi: "A Ferrari, a Porsche and a hot chick for his birthday?", fragt er, ob er das passende Geschenk für einen Freund gefunden hat. Und gibt sich selbst die logische Antwort: "Right!"

Dass die amerikanischen Sportler so twitter-aktiv sind, liegt auch daran, dass die Nutzerzahlen in den USA um ein Vielfaches höher sind als hier. "In Deutschland entwickelt sich das Social Web langsam", sagt Jan-Hinrik Schmidt, Internet-Forscher vom Hans-Bredow-Institut Hamburg: Deutsche Prominente sind rar vertreten. Und wenn, dann oft als Fake wie Günther Jauch. In den USA hingegen zählen Barack Obama, Britney Spears und der Top-Twitterer Ashton Kutcher siebenstellige Leserzahlen. "Doch die Bedeutung von Twitter wird wachsen", mutmaßt Schmidt, das "Nischendasein" werde ein Ende haben, sobald Dieter Bohlen und Co. mit dem tweeten anfangen. Oder auch prominente Sportler und Sportfunktionäre.

Viele Zuhörer hat der ehemalige Fußballmanager Reiner Calmund ("Ich bin wohl der dickste Vogel hier"). Wie im wahren Leben ist er auch im Netz ein Vielredner. Calmund kann man sicher viel vorwerfen, aber nicht, dass er sich Trends gegenüber unaufgeschlossen zeigt. Im Netzjargon würde man ihn einen early adopter nennen.

Auch zwei deutsche Fußballprofis twittern: zum ersten Lukas Podolski (2590 Follower), dem die 140-Zeichen-Beschränkung wegen seiner puristischen Rhetorik eigentlich entgegenkommen müsste. Wie gerne würden es die Fans lesen, wie die jüngsten Playstation-Duelle mit Schweinsteiger ausgegangen sind! Doch Podolski hat lediglich einen Feed, also einen Benachrichtigungsdienst, der auf Aktualisierungen auf seiner Homepage aufmerksam macht. Zudem wird sein Twitter-Konto offensichtlich von seiner Agentur bestückt. Das ist noch wenig sexy.

Besser macht es der 18-jährige Neu-Schalker Lewis Holtby (106 Follower), der seit einigen Tagen seine Fans mit Kurznachrichten auf dem Laufenden hält: "Werde als U19-Nachwuchsspieler des Jahres mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold geehrt. Bin stolz wie Oskar!" Sein aktuellster Beitrag zeigt ein Foto von ihm beim Eckballtraining. Holtby versichert, "so oft wie möglich persönlich zwitschern" zu wollen. Er scheint das Rezept durchschaut zu haben und die Möglichkeiten, die soziale Medien wie Twitter, Facebook und YouTube bieten: subjektive, direkte und authentische Kommunikation mit den Fans, Image-Pflege, Selbstpräsentation. Und das alles live.

Doch viele Vertreter des deutschen Fußballs können mit dem Wort "twittern" nicht viel anfangen oder halten es für ein Synonym von "schnackseln". Angesichts des Wahns im deutschen Fußball, Interviews vor der Veröffentlichung aufs Komma zu prüfen (und zu korrigieren), würde es ohnehin nicht überraschen, wenn Klubs ihren Spielern und Trainern strenge Auflagen machten. "Es kann nicht im Sinne von Uli Hoeneß sein", sagt Schmidt, "wenn Franck Ribéry Details aus Verhandlungen mitteilt." Auf Felix Magaths Tweet, in dem er den Link zu seinem Lieblingsvideo von Peter Maffay schickt, müssen die Fußballfreunde noch ein wenig warten.

Quelle: ZEIT ONLINE

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