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Sport: Über die Themse nach Athen

Es ist immer das Gleiche. Oxford gegen Cambridge, Cambridge gegen Oxford, Oxford gegen Cambridge.

Es ist immer das Gleiche. Oxford gegen Cambridge, Cambridge gegen Oxford, Oxford gegen Cambridge. Wenn man das Sportzentrum der Oxford University an einem verregneten Sonntag im Frühling betritt, spielen Studenten unten in der Halle gerade Basketball. Die Zuschauer schreien, weil Oxford gerade gegen Cambridge in Führung gegangen ist.

In der Familie von Ben Burch, dem Ruderer, ist es ähnlich. Der Vater ist als Student für Cambridge gerudert, der Sohn, der rudert, seit er 13 ist, fährt im Oxford-Achter. Aber es hätte auch Cambridge sein können, wo Ben Burch, 22 Jahre alt, eigentlich Tiermedizin studieren wollte. Er ist nicht genommen worden. Dafür hat es mit Maschinenbau in Oxford geklappt.

Aber darum geht es eigentlich nicht, weder um Oxford noch um Cambridge. Es geht darum, dass Ben Burch das Achter-Rennen Oxford gegen Cambridge, das in England einfach nur "The Boatrace" genannt wird und das heute zum 148. Mal stattfindet, um jeden Preis gewinnen will. Weil er immer gewinnen will.

Es sind nur drei Kurven auf der Themse in West-London, die Ben Burch und die sieben anderen Studenten im ersten Boot, dem sogenannten Blue Boat, rudern müssen. Aber insgesamt müssen die beiden Mannschaften sechs Kilometer, also dreimal die Olympische Distanz rudern, und Ben Burch sagt, dass es sich nach den knapp 20 Minuten völliger Verausgabung anfühlt, als brennen seine Lungen. "Du liegst nur da. Nichts kann dir helfen. Du musst einfach warten, bis der Schmerz nachlässt."

Ben Burch ist das angeblich härteste Ruder-Rennen der Welt schon zweimal gerudert, hat nie die hunderttausende Zuschauer und ihre Schreie am Fluss wahrgenommen. Im Jahr 2000 hat Burch gewonnen, im letzten Jahr verloren. Es ist sein letztes Jahr in Oxford, und obwohl Ben Burch das Rennen doch schon einmal gewonnen hat, sagt er immer noch: "Es geht doch nicht darum zu verlieren oder einfach nur teilzunehmen. Wenn man nicht gewinnen will, braucht man keinen Sport machen."

"Der Plan ist", sagt Burch, der als Präsident des Oxford University Boat Club so etwas wie der Kapitän der Mannschaft ist, "in diesem Jahr in die britische Ruder-Nationalmannschaft zu kommen und dann bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen im England-Achter zu sitzen." Die Chancen dafür stünden gut. Dass im Oxford-Achter der Holländer Eggenkamp bei Olympia in Sydney gerudert ist und der Amerikaner McGee im US-Team fährt, zeigt ja etwas über die Qualität der Sportler im Boot. Allesamt sind sie Professionelle, aber gleichzeitig auch Studenten in der renommiertesten Universität der Welt, in der Studieren kein Spaziergang sein soll. Deshalb steht Ben Burch jeden Morgen um halb sieben auf und geht abends um halb zehn ins Bett. Er sagt, dass es ihm egal ist, dass viele andere Studenten um halb zehn abends das Haus verlassen und nach Hause kommen, wenn er aufsteht. In Ben Burchs Plan gibt es so etwas scheinbar nicht: "Ich habe mehr vor, als mit Freunden Bier zu trinken und auf Partys zu gehen", sagt er. Zwölfmal die Woche ist Training, morgens rudern sie 20 Kilometer auf dem Wasser, nachmittags eineinhalb Stunden auf der Rudermaschine, oder sie heben Gewichte. Manchmal fragt sich Burch, warum er das macht. Ruderer, sagt er, müssten es wohl irgendwie mögen, wenn sie vor Erschöpfung Sterne sehen.

Es sei schwierig, zu rudern und gleichzeitig in Oxford zu studieren. "Man muss sehr effizient und gut organisiert sein." Aber alle im Team hätten gute Noten im Studium. Und das käme nicht daher, weil man als Mitglied des Oxford-Achters bevorzugt behandelt würde. Andersherum scheint es aber so zu sein, dass es für eine Bewerbung an den Elite-Universitäten von Vorteil ist, wenn man ein ausgezeichneter Ruderer ist. In einem offiziellen Text des Oxford University Boat Club heißt es, dass Bewerbungen von Ruderern an der Universität bevorzugt würden. Im nächsten Satz ist dann zu lesen, dass es für alle wichtig sei, zu wissen, dass die Studenten in Oxford vornehmlich nach akademischen Kriterien ausgewählt würden. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie so oft in der Mitte.

Vor drei Wochen ist Ben Burch mit der 18-köpfigen Mannschaft aus Oxford nach London gezogen, um täglich auf der Themse zu trainieren. Das erste Boot, das zweite Boot und die Ersatzleute. "Den Fluss kennen lernen", nennen sie das. Denn das Rennen beginnt mittags, wenn in der Themse die Flut kommt. Der Steuermann hat vorher tagelang mit Experten die Strömung gemessen, um den besten Kurs für das Rennen, in dem die Boote gegen den Strom fahren müssen, zu finden. Der ist so wichtig, weil das Rennen meist am Anfang entschieden wird. "Wenn du einmal vorne bist", sagt Ben Burch, "ist es so gut wie sicher, dass du gewinnst." Vor zwei Jahren, als Oxford eine sieben Jahre dauernde Siegesserie von Cambridge brach, hat Ben Burch "schon nach vier Minuten gewusst, dass wir gewinnen werden. Das merkt man einfach." Um Fehler zu vermeiden, tun sie alles: Der Oxford-Achter hat sechs Trainer, drei weitere Ruderexperten, die beraten, eine Psychologin und einen Arzt. Medizinische Tests werden von teuren Spezialcomputern durchgeführt. Nichts überlassen sie dem Zufall.

Und die Ruderer bekommen, wenn sie gewinnen, am Ende nichts als einen Pokal, kein Geld. "Nur Ehre", sagt Burch.

Julius Müller-Meiningen

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