zum Hauptinhalt
Blick zurück. Für die 36 Jahre alte Andrea Henkel rückt das Ende der Karriere näher. Foto: Imago

© imago/Bild13

Sport: Über Sotschi nach Salt Lake City

Die Biathletin Andrea Henkel zählt bei ihren letzten Olympischen Spielen wieder zum Favoritenkreis.

Mit den Fremdsprachen ist das so eine Sache bei Andrea Henkel. „Ich bin nicht so der Sprachtyp. Schon in der Schule war ich eher die Wissenschaftlerin“, sagt die Biathletin. Zumindest das Englische geht ihr inzwischen aber ausgesprochen flüssig über die Lippen. „Aber dass ich das gelernt habe", sagt die Thüringerin und klingt dabei fast entschuldigend, „da war ja auch ein Sinn dahinter.“ Dieser Sinn ist männlich, kommt aus den USA, heißt Tim Burke, ist ebenfalls Biathlet – und seit sechs Jahren mit Henkel liiert.

Mit einem russischen Berufskollegen hat die 36-Jährige dagegen nie angebandelt, dafür hilft ihr bei Olympia womöglich die Kindheit in der ehemaligen DDR. Als die Mauer fiel, war Henkel fast zwölf Jahre alt. In der Schule hat sie Russisch zwar abgewählt, auf ein paar Überbleibsel kann die 36-Jährige bei ihren vierten und letzten Winterspielen aber zurückgreifen. „Ich bringe zwar keine ganzen Sätze auf Russisch zustande, ein paar Brocken beherrsche ich noch. Zumindest kann ich mir etwas zu essen bestellen, ich muss also nicht verhungern.“

Überleben allein reicht ihr in Sotschi allerdings nicht. Zum Abschluss ihrer langen Karriere will sie es beim Saisonhöhepunkt noch einmal hinauf aufs Siegerpodium schaffen. Und zwar nicht nur mit der deutschen Frauenstaffel, die nach einem Sieg und zwei zweiten Plätzen in diesem Winter mit guten Medaillenchancen in den Kaukasus reist. Sondern auch in einem Einzelrennen. Vor allem im schießlastigen Klassiker über 15 Kilometer, bei dem erfahrenere Athletinnen wie Henkel in der Regel im Vorteil sind, strebt sie eine Medaille an. Ebenso im Sprint, dem ersten Wettkampf im olympischen Programm, und in der daran gekoppelten Verfolgung. Darüber hinaus entscheidet sich am Mittwoch, ob Henkel bei der Eröffnungsfeier die deutsche Fahne tragen darf. Neben der alpinen Skirennfahrerin Maria Höfl-Riesch und der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein zählt sie zu den favorisierten Kandidatinnen.

Vor allem die Generalprobe in Antholz hat bei Andrea Henkel noch einmal die Angriffslust geweckt: Rang zwei im Sprint ließ Henkel in der Verfolgung ihren 22. Weltcupsieg folgen. „Sie hat gezeigt, dass sie wieder aufs Podest laufen kann. Auch im Sprint, was mich ein bisschen überrascht hat. Denn an der Laufform haperte es zuletzt noch, die war sicher nicht ganz top“, sagt Kati Wilhelm. „Aber dafür hat sie ihre Schießform wieder gefunden", ergänzt die ehemalige Biathletin, die vor vier Jahren Seite an Seite mit Henkel 2010 Olympia-Bronze mit der Staffel gewann und inzwischen als TV-Expertin arbeitet.

Von den Worten der früheren Kollegin lässt sich die letzte Verbliebene aus der Hochzeit des deutschen Frauenbiathlons aber nicht behelligen. „Antholz hat mir das Vertrauen zurückgegeben – auch in mich selbst“, sagt Henkel, „ich gehöre wieder zum Favoritenkreis. Es wird spannend in Sotschi. Zumal ich emotional noch ein wenig Nachholbedarf habe.“ Was wiederum mit ihrem größten Erfolg zu tun: dem Doppelolympiasieg in Salt Lake City. In den Rocky Mountains siegte Henkel damals im Einzel und mit der Staffel, doch der Genuss dieser Erfolge kam vor zwölf Jahren eindeutig zu kurz. „Es war mein erster olympischer Wettkampf und ich konnte das einfach noch nicht einordnen, dass das schon etwas Größeres ist", sagt die achtmalige Weltmeisterin heute.

Es sei ihr in Salt Lake City schon bewusst gewesen, dass sie bei Olympia war, ergänzt Henkel. „Aber ich hab' mir halt nicht mit 15 gesagt: ‚Ich möchte mal Olympiasiegerin werden.' Ich hab' Biathlon nur gemacht, weil es mir Spaß gemacht hat. Bei meiner ersten Jugend-WM wusste ich gar nicht, dass so etwas überhaupt existiert. Aber da war ich auch erst 16 – also früher dran als eigentlich geplant.“

Früh dran mit dem Karriereende ist Henkel dagegen nicht. Sie hat sich eben einfach die Zeit genommen, die sie gebraucht hat. Bis spätestens 2015 will Henkel zu ihrem in Salt Lake City wohnhaften amerikanischen Lebensgefährten übersiedeln, der vier Jahre jünger ist als sie – auch ein Grund für die ausgedehnte Laufbahn, sagt Henkel.

Besuche in ihrer künftigen Heimat hat Henkel in den vergangenen Jahren schon viele hinter sich. „Es ist halt schon ein bisschen anders in Amerika. Und es war auch ganz gut, dass ich so viel Zeit hatte, mich mit dem Gedanken an einen Umzug anzufreunden“, sagt Andrea Henkel. Trotz der zurückhaltenden Worte klingt bei ihr allmählich auch die Vorfreude auf die rein private Zeit nach der Biathlonkarriere durch. „Mir gefällt's in Deutschland sehr gut“ sagt Andrea Henkel, „der einzige Grund, warum ich da rüberziehe, ist Tim.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false