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Für den Oberliga-Tabellenführer Freibeuter besiegelte eine E-Mail den Aufstieg in die Regionalliga.

© Ryo Gokita

Überlebenskampf im Amateur-Basketball: Aufstieg per Antrag

Im Berliner Vereinsbasketball können die meisten Klubs der Krise bisher trotzen. Die Absage von geplanten Turnieren stellt sie aber vor Probleme.

Es wird noch dauern, bis in Berliner Sporthallen wieder Basketball gespielt werden kann. Daran wird sehr wahrscheinlich auch das anvisierte Saisonfinal-Turnier der Bundesliga nichts ändern, an dem Alba zwar teilnehmen würde, um deren Ausrichtung sich neben den Berlinern aber auch Bonn, Frankfurt und München beworben haben.

An der Basis des Berliner Basketballs herrscht dagegen Stillstand. Der Berliner Basketball Verband (BBV) musste die laufende Spielzeit bereits beenden und zahlreiche Trainingslager und Turniere absagen. Die Aufstiegs- und Abstiegsregelung im Bereich der Männer und Frauen wird nun per Antrag abgewickelt. „Sollten Mannschaften der Meinung sein, dass sie mit den ausstehenden Spielen den Klassenerhalt oder den Aufstieg noch erreicht hätten, können sie einen Antrag stellen“, gab der Verband bekannt.

Die Kreisliga-Mannschaft der Freibeuter 2010 machte davon Gebrauch. Als fünftplatziertes Team ging es doch noch in die Bezirksliga, da die theoretische Möglichkeit noch bestand. Währenddessen stieg die erste Mannschaft der Freibeuter als Tabellenführer in die Regionalliga auf. „Den Moment, in dem nach dem letzten Spiel die Emotionen steigen, gab es für uns nicht. Der fand quasi in Form einer Bestätigung per E-Mail statt“, sagt Tobias Beckerwerth, der für den Friedrichshainer Klub im Vorstand tätig ist.

Es sind seltsame Zeiten – und für den Berliner Basketball wirtschaftlich auch keine einfachen. Zwar werden die Klubs auch weiterhin zu einem Großteil durch die Beiträge ihrer Mitglieder getragen, doch bei den Freibeutern fallen beispielsweise die Einnahmen durch die Basketball-AGs an Schulen und geplante Ferien-Trainingslager weg. „Diese Einnahmen sind für die Bezahlung unserer hauptamtlichen Trainer gegengerechnet. Die Gehälter müssen aber weitergezahlt werden, dadurch entsteht eine Schieflage“, sagt Beckerwerth.

BG Zehendorf bietet 49 Dankeschön-Aktionen an

Die Trainer hätten dem Klub von sich aus angeboten, auf Kurzarbeit umzusteigen, damit die Freibeuter nicht allzu sehr an ihre finanziellen Reserven müssen. Rund sechs bis acht Monate könnte der Klub von den Ersparnissen noch leben, der Aufstieg der ersten Männer-Mannschaft in die Regionalliga bringe laut Beckerwerth aber zukünftig einen Mehraufwand von rund 5000 Euro pro Saison mit. „Wir sind darauf angewiesen, im Bereich Sponsoring eine Schippe draufzulegen“, sagt Beckerwerth. „Durch die aktuelle Situation sitzt das Geld bei möglichen Partnern aber natürlich auch nicht mehr so locker.“

Sorgen anderer Art haben der Traditionsklub BG Zehlendorf und der vergleichsweise junge Basketballverein BC Lions Moabit. Beide Vereine sind Ausrichter traditionsreicher und international besuchter Turniere. Aber sowohl das Zehlendorfer Pfingstturnier als auch der Easter Cup in Moabit konnten oder werden nicht stattfinden. „Die teilnehmenden Klubs haben schon Anzahlungen für ihre Unterbringungen geleistet, wir haben die Unterkünfte gebucht. Von denen bekommen wir das Geld derzeit aber nicht oder nur häppchenweise zurück“, sagt Andreas Riebold von den BC Lions.

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Rund 40 000 Euro muss der Klub zurück an Vereine aus ganz Europa überweisen. „Das war und ist nicht unser Geld. Wir müssen es aber zurückholen“, sagt Riebold. Durch eine staatliche Soforthilfe und Spenden konnten die Verbindlichkeiten mittlerweile auf eine Summe zwischen 20 000 und 25 000 Euro gedrückt werden. Der Hauptverein ist nicht gefährdet, eine drohende Insolvenz konnte, auch aufgrund der finanziellen Trennung zwischen Verein und Osterturnier, abgewendet werden. Vielmehr wollen die Lions ab der nächsten Saison Regionalliga-Basketball anbieten, sie übernehmen das viertklassige Männer-Team des angeschlagenen Nachbarklubs ASV Moabit.

Die ersten Vereine vermelden bereits vereinzelte Austritte

Auch Niklas von Tschirnhaus von der BG Zehlendorf spricht von „umfangreichen Einnahmeausfällen“. Der Verein setzt nun auf Spenden und bietet dafür 49 Dankeschön-Aktionen an. Von einer Beratung zum Thema Mietrecht eines Spielers der Ü-45-Männer bishin zum selbst gebackenen Bananenbrot eines U-14-Spielers ist so gut wie alles dabei. Generell, das betont von Tschirnhaus, sei der Klub aber nicht gefährdet, wenn die Mitglieder nicht abspringen würden. „Pleite gehen wir nicht, wir nagen nicht am Hungertod“, sagt er.

Der BBV blickt also mit gemischten Gefühlen in die Zukunft: „Aktuell ist uns kein Verein bekannt, der ausschließlich auf Grund der Coronavirus-Pandemie den Spielbetrieb komplett einstellen muss. Wir gehen derzeit aber schon davon aus, dass sich weniger Mannschaften als in den vergangenen Spielzeiten zur neuen Saison anmelden werden“, heißt es in einer Antwort auf eine Tagesspiegel-Anfrage. Die ersten Vereine würden bereits vereinzelte Austritte von Mitgliedern vermelden, in den Jugendaltersklassen sei derzeit kein Zuwachs zu verzeichnen: „Da die Meldegelder durch Mannschaftsmeldungen auch eine unserer Haupteinnahmequellen sind, wird auch dann für uns die finanzielle Situation erheblich problematischer, wenn wir vielleicht erst deutlich später in die Saison starten können oder die Durchführung der nächsten Saison, im schlimmsten Fall, gar nicht möglich sein sollte.“

Ob und wann in Berlin wieder regulär Basketball gespielt werden kann, ist derzeit noch nicht abzusehen. Wichtig ist, dass der Großteil der Klubs der Krise aber noch standzuhalten scheint. Zumindest das ist eine gute Voraussetzung dafür, dass die Profis von Alba Berlin in einigen Monaten nicht mehr das einzig spielende Berliner Basketballteam sein könnten.

Louis Richter

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