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Sport: ÜBERRASCHENDE AUSSAGE BEIM BERLINER DOPINGPROZESS: "Wußte, daß es muskelbildende Mittel waren"

BERLIN .Katrin Meißner war überpünktlich.

BERLIN .Katrin Meißner war überpünktlich.Für 14 Uhr war sie bestellt, kurz nach 13 Uhr war sie schon da - und ein paar Minuten später konnte sie schon wieder gehen.Das Gericht hatte gestern keine Zeit, die 25jährige Nationalmannschaftsschwimmerin, als dritte Zeugin dieses Tages, im Berliner Dopingprozeß zu hören.Damit mußte man, nach den bisherigen Erfahrungen, rechnen.Eine Frau, die Morddrohungen erhalten hatte, hätte man allerdings auch schon vormittags aussagen lassen können.Das wäre rücksichtsvoll gewesen.Und dann hätte die 25jährige das für sie unangenehme Kapitel endlich abschließen können.

Als die Spitzenschwimmerin noch wartete, sagte schon Sabine Siegmund-Ganzkow aus.Sie fiel zwar zu DDR-Zeiten nie international durch sportliche Glanzleistungen auf, dafür aber gestern als Zeugin.Die 28jährige ist die erste Athletin in diesem Prozeß, die erklärte, sie habe gewußt, daß "ich muskelaufbauende Mittel erhielt", übersetzt: Dopingpillen.Ihr Trainer Volker Frischke "hat versucht, das ein bißchen zu erklären".Über mögliche Folgeschäden hatte er sie allerdings nicht aufgeklärt.Dafür teilte er ihr mit, "daß die Pillen zehn Tage vor dem Wettkampf abgesetzt werden müssen.Dann sind sie nicht mehr nachweisbar." Damals war Sabine Siegmund-Ganzkow 17 und hatte seit Frühjahr 1986 die berühmten blauen Pillen erhalten.Allerdings betrieb nicht Frischke als erster Aufklärung.Die junge Schwimmerin hatte schon männliche Teamkollegen nach dem Mittel gefragt.Antwort: "Das sind mänliche Hormone."

Es dauerte allerdings, bis die 28jährige dies alles mitteilte.Die Anworten kamen sehr zögernd, sie wich manchmal aus, und mitunter schien es so, als würde die Friseuse am liebsten gar nicht antworten.Bis sie irgendwann doch mal ihr Wissen um die Substanz offenbarte.Folgeschäden freilich habe sie keine davongetragen.

Auch Daniela Hunger hat an sich keine körperlichen Schäden festgestellt."Ich bin ein gesunder Mensch", hatte die zweimalige Olympiasiegerin zuvor erklärt.Ihr war der Gerichtstermin erkennbar lästig."Ich beschäftige mich mit diesem Thema nicht", meinte sie.Daß sie von ihrem Trainer Frischke Pillen bekommen habe, egal welche, sei für sie so normal gewesen, wie eine Massage.Präparate "hat man so nebenbei genommen".Gehörten zu denen auch die blauen Pillen? Da wollte sich Daniela Hunger so konkret nicht festlegen.Einmal konnte sie "nichts ausschließen", später konnte sie dies sehr wohl.

Allerdings ist laut eines Vermerks des Sportmedizinischen Dienstes der DDR Daniela Hunger am 7.8.1989 bei einer DDR-internen Doping-Kontrolle vor der EM positiv getestet worden.Tja, "erklären", sagte die Olympiasiegerin, "kann ich mir das nicht".

Daniela Hunger war als Zeugin nicht ganz einfach.Mehrfach widersprach sie ihren eigenen, von ihr selbst unterschriebenen, Aussagen, die sie vor der Kripo gemacht hatte.Daß Frischke ihr die Pillen in die Hand gedrückt habe, "damit andere nichts Genaues mitbekommen" (laut Kripo-Protokoll), nahm sie im Prozeß zurück.Und daß sie sich "als Versuchskaninchen" empfand und für eine Strafverfolgung der Verantwortlichen plädierte (wieder laut Kripo-Protokoll), das relativierte sie.Sie empfinde sich nicht als Versuchskaninchen, habe aber Verständnis für klagende Athletinnen.Kein Verständnis freilich hat sie für eine Anordnung des Gerichts: Daniela Hunger muß sich auf eventuelle Doping-Folgeschäden untersuchen lassen.Dagegen will sie Rechtsmittel einlegen.

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