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Sven Felski, Stefan Langwieder

© Kern

Überzeugende Eisbären: Endlich wieder Eishockey?

14 Tore in einem Spiel – die Zuschauer sind begeistert, die Eisbären weniger. Sie offenbaren noch zu viele Schwächen in der Verteidigung. Trainer Don Jackson will daran arbeiten.

An sich, dachte Peter John Lee, konnte ihn nichts mehr überraschen an einem Dienstagabend voller Überraschungen. Auf dem Eis tobten zwei Mannschaften wütend hin und her und die Tore fielen im Sekundentakt. Die begeisterten Zuschauer brüllten: „Endlich wieder Eishockey!“ Lee, der Manager der Eisbären, sah gerade das Ende dieses eigenartigen Schauspiels, als sein Mobiltelefon klingelte. Da nuschelte jemand etwas von „Doping“ und „Tabletten“. Aufgeschreckt sprintete Lee von der Tribüne in einen Gang der Berliner Großarena. Dort verstand er den Anrufer. Es war sein Spieler Stefan Ustorf. Er rief aus dem Krankenhaus an, mit schlechten Nachrichten. Ustorf hatte einen Puck ins Gesicht bekommen – Kieferbruch. „Stefan hat mich gefragt, was für ein Schmerzmittel er nehmen darf“, sagt Lee. „Der Arzt wusste nicht, was auf der Dopingliste steht.“

Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, sagt Lee, hätte er am liebsten laut gelacht. „Da hat ein Mensch solche Schmerzen und denkt als erstes an die Dopingliste.“ Immerhin zeige es, wie sensibel die Spieler mit dem Thema inzwischen umgehen würden.

Das Pech von Ustorf war der unschöne Höhepunkt des kuriosen Abends: Als Ustorf auf dem Weg ins Krankenhaus war, stellten seine Kollegen zusammen mit den Iserlohn Roosters schnell mal ein paar Rekorde in der Geschichte der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ein: Das 9:5 der Berliner war das torreichste Spiel der Saison. Dann fielen im letzten Drittel vier Tore in 58 Sekunden, das gab es noch nie. Das Torfestival rief allerdings beim Sieger verschiedene Reaktionen und weniger Begeisterung als bei den Fans hervor. Während der dreimalige Berliner Torschütze Florian Busch „einen Hauch von Play-offs“ gespürt hatte, sagte sein Kollege Sven Felski: „Das Spiel war krank. So was kann man ja nicht Eishockeyspiel nennen.“ Felski spielte auf das an, was keinem Trainer gefallen kann: das schlampige Defensivverhalten der Eisbären.

Es liegt in der Natur des Personals der Eisbären, dass sie eben sehr offensiv ausgerichtet sind – selbst in der Defensive. Verteidiger wie Deron Quint oder Andrew Roach schießen lieber Tore, als sie zu verhindern. Das Resultat ist, dass die Eisbären nach 45 Spielen zwar mit 177 Treffern das torgefährlichste DEL-Team sind, aber auch anfällig sind: 125 Gegentore ist kein guter Wert. „Das kann uns noch mal zum Verhängnis werden“, sagt Trainer Don Jackson. Im Training werde er bis zum Play-off-Start mit seinem Team am Defensiverhalten hart arbeiten. „So risikoreich wie gegen Iserlohn dürfen wir nicht noch einmal spielen.“

Schade für die Zuschauer, die wohl am Dienstag in Berlin Zeuge eines einmaligen Schauspiels geworden sind. Doch angesichts von nur noch zwei Punkten Rückstand auf Tabellenführer Hannover sagt der einstige Verteidiger Jackson: „Wir wollen nach der Hauptrunde Erster sein, das geht nicht, wenn wir jedes mal fünf Treffer kassieren.“

Stefan Ustorf wird den Berlinern im Endspurt der Hauptrunde nun fehlen. Noch am Dienstag wurde der Stürmer operiert und bekam eine Platte im Unterkiefer eingesetzt. „Sechs Wochen muss er Pause machen“, sagt Lee. „Aber die Ärzte sprechen immer von sechs Wochen. Ich bin mir sicher, das Stefan früher zurückkommt. Eishockeyspieler sind eben verrückt.“ Manche Eishockeyspiele auch.

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