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Aleksander Ceferin könnte der neue starke Mann in der Uefa werden.

© dpa

Uefa-Kongress: Warum der DFB plötzlich zu Aleksander Ceferin tendiert

Die Uefa wählt einen neuen Präsidenten – im Hintergrund entscheiden Eigeninteressen, auch Deutschlands.

Von Johannes Nedo

Der Termin ist clever gewählt. Wenn sich die Vertreter der europäischen Fußball-Verbände am Mittwoch im edlen Grand Resort Lagonissi in Athen treffen, um den neuen Uefa-Präsidenten zu wählen, werden die Fans überall auf dem Kontinent über Europas Fußball diskutieren. Allerdings über die ersten Auftritte von Bayern München, Barcelona, Real Madrid und Manchester City in der neuen Champions-League-Saison, die an diesem Dienstag beginnt – und nicht über die Kandidaten, Programme und Verstrickungen bei dieser so wichtigen Wahl.

Am Mittwoch steht einiges auf dem Spiel für den europäischen Fußball. Doch es läuft ohne den großen Fokus der Öffentlichkeit ab, und das ist den meisten Funktionären nur recht.

Beim außerordentlichen Kongress in Athen wird der Nachfolger Michel Platinis gewählt. Der Franzose, der die Uefa von 2007 bis Ende 2015 führte, ist wegen einer mysteriösen Zahlung von zwei Millionen Franken, die er vom ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter erhalten hat, für vier Jahre für alle Fußballaktivitäten gesperrt. Da der 61-Jährige immer wieder Einspruch gegen die Sperre eingelegt hatte und sich weigerte zurückzutreten, lähmte er die Uefa. Erst als der Internationale Sportgerichtshof Cas im Mai die Strafe bestätigte, trat er endgültig ab. Doch Platini kann wohl nicht loslassen. Trotz seiner Sperre plant er beim Kongress einen Auftritt.

Fast ein Jahr nach Beginn der Ermittlungen gegen Platini wird nun endlich der neue, starke Mann in Europas Fußball gekürt. Von den ursprünglich drei Kandidaten sind noch zwei im Rennen. Der zwielichtige spanische Uefa-Vizepräsident Angel Maria Villar hatte seine chancenlose Kandidatur vor einer Woche zurückgezogen. So wird es ein Duell zwischen dem niederländischen Verbandschef Michael van Praag und dem slowenischen Verbandspräsidenten Aleksander Ceferin.

Die Rollen sind in diesem Zweikampf mittlerweile klar verteilt. Galt zunächst van Praag als erster Anwärter auf den Sieg, ist jetzt Ceferin der große Favorit. Die Stimmen von mindestens 30 der 55 europäischen Verbände soll der 48 Jahre alte Slowene, der international bisher nicht in Erscheinung getreten ist, bereits sicher haben. Viele Verbände haben sich schon öffentlich für Ceferin ausgesprochen, darunter so mächtige wie Russland, Frankreich, Italien und auch Deutschland. Dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vor knapp zwei Wochen verkündete, für Ceferin stimmen zu wollen, ist für manchen europäischen Verbandspräsidenten „ein Zeichen, dass die Wahl schon entschieden ist“, wie sie dem Tagesspiegel sagten. Der DFB hatte sich zu Beginn des Wahlkampfs eigentlich klar hinter van Praag gestellt.

Programme der beiden Kandidaten ähneln sich

Den überraschenden Meinungsumschwung erklärte der DFB mit „einzelnen persönlichen Gesprächen sowie einer intensiven Prüfung der Wahlprogramme“. Was etwas verblüfft, da sich die Programme der zwei Kandidaten sehr ähneln. Beide wollen sich für mehr Solidarität zwischen den großen und den kleinen Nationalverbänden einsetzen, beide wollen die Verbände in Südost- sowie Osteuropa stärken und beide wollen eine europäische Super League der namhaftesten Vereine unbedingt verhindern. So scheint das Alter van Praags wohl der ausschlaggebende Punkt zu sein. Der Niederländer ist bereits 68 Jahre alt und strebt auch nur eine Amtszeit an, Ceferin ist 20 Jahre jünger und betont stets, er wolle neuen Wind in die Uefa bringen.

Die deutsche Unterstützung Ceferins ist also vor allem ein Beleg dafür, dass es bei der Wahl um mehr geht als den Uefa-Präsidenten. Es gibt zahlreiche Indizien, dass im Hintergrund andere Interessen die entscheidenden Faktoren sind: die Russlands, des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino sowie der Bewerber für die Europameisterschaften 2024 und 2028 . Das norwegische Fußball-Magazin Josimar enthüllte kürzlich in einer aufwendigen Recherche: Ceferin ist der Wunschkandidat Infantinos und Russlands. Russland will demnach einen Uefa-Präsidenten, der der WM 2018 nicht kritisch gegenübersteht. Van Praag sprach die Probleme des WM-Ausrichters bisher viel deutlicher an als Ceferin. Weil Weltverbandschef Infantino die nächste WM ebenfalls im bestmöglichen Licht präsentiert sehen möchte, und wohl auch, weil der russische Erdgasriese Gazprom einer der wichtigsten Fifa-Sponsoren ist, setzte er seinen norwegischen Strategieberater Kjetil Siem darauf an, für Ceferin zu werben.

Siem gelang es, dass Anfang Juni die skandinavischen Länder Ceferin als erste als Kandidaten vorschlugen. Russland sagte seine Unterstützung erst kurz danach zu, und so galt Ceferin als Mann der demokratischen Skandinavier. Siem überzeugte die Länder im Norden Europas offenbar mit dem Versprechen, Ceferin werde sie dabei unterstützen, die EM 2024 oder 2028 ausrichten zu dürfen. Solche Gerüchte dürften den DFB auf den Plan gerufen haben. Der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel will die EM 2024 unbedingt nach Deutschland holen. All das könnte beim Umschwung zu Ceferin also eine Rolle gespielt haben.

Ceferin dementiert diese angeblichen Versprechen vehement. Er sei keine Marionette Infantinos oder Russlands, sagte der Jurist. Wirklich neu klingen solche Manöver für die Uefa leider nicht.

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