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Vielsprachige Plaudertaschen in der Bayern-Kabine. Der Bayer Uli Hoeneß (li.) unterhält sich mit dem gebürtigen Westfalen Karl-Heinz Rummenigge, daneben horcht der Katalane Pep Guardiola (2. v. r.) den Worten des Sachsen Matthias Sammer.

© dpa/Hassenstein

Uli Hoeneß will mehr Deutsch in der Kabine: Nur Populismus oder tatsächlich wichtig?

Bayern-Präsident Uli Hoeneß fordert mehr Deutsch in der Umkleidekabine seines Vereins – das wird als anbiedernd kritisiert. Ist es das wirklich?

Ailton Gonçalves da Silva, kurz Ailton, hat die Geschichte von seiner Ankunft selbst erzählt. Sie geht, zusammengefasst, so: Er, ein junger, talentierter brasilianischer Fußballer, kam im Oktober 1998 nach Deutschland, zum SV Werder Bremen. Er hatte keine Ahnung, von seinem neuen Verein, von Deutschland und von der Sprache. Er habe die ersten drei Wochen nur zwei Wörter gekonnt, erzählte Ailton vor wenigen Jahren: „Spaghetti“ und „Bolognese“. Und genau das bestellte er in seinen ersten Wochen in Deutschland dann auch jeden Tag im Bremer Parkhotel, wo ihn der SV Werder zunächst untergebracht hatte.

Nun mag es Spötter geben, die sagen, Ailton habe auch am Ende seiner Zeit in Deutschland, und die ging erst vor vier Jahren bei Hassia Bingen vorbei, kaum mehr als zwei Wörter in deutscher Sprache über die Lippen gebracht. Doch das ist ungerecht. Ailton konnte sogar mehr als ein paar Happen Deutsch. Dennoch galt der Brasilianer als Inbegriff des ausländischen Fußballers, der sich nicht genügend Mühe gibt, um im Land seines Arbeitgebers, der ihn fürstlich bezahlt, richtig anzukommen. Der, und nun kommen die Signalwörter, „mangelnden Integrationswillen“ zeigte.

Womit wir bei Uli Hoeneß wären. Der vor wenigen Wochen wiedergewählte Präsident des FC Bayern München forderte am vergangenen Mittwoch in der „Sport Bild“, dass beim deutschen Rekordmeister in der Kabine künftig wieder verstärkt Deutsch gesprochen werden müsse. „Wenn einer an der Kommunikation nicht teilnehmen kann, ist das nicht gut. Wenn ich vorhabe, mich mittel- und langfristig in einem Verein zu integrieren, muss ich die Sprache lernen“, sagte Hoeneß. „Es muss wieder Deutsch in der Kabine gesprochen werden, die Sprache ist ein Bindeglied. Ansonsten gibt es Grüppchen.“ Hoeneß machte sich auch für den verpflichteten Deutschunterricht stark. „Ein Spieler muss Deutsch lernen, das muss eine Vorschrift werden. Ansonsten muss er eben zahlen.“

Die Diskussionen darüber, wie gut ein Spieler in der Bundesliga der deutschen Sprache mächtig sein sollte, war in den vergangenen Jahren immer leiser geworden. Die Gründe dafür dürften gewesen sein, dass zum einen die Betreuungsmodelle der hochprofessionalisierten Vereine immer effektiver sind, die ausländischen Spieler immer besser unterstützt werden, damit sie sich auch außerhalb des Platzes zurechtfinden. Und zum anderen fehlte dem Thema wohl auch die Debattentauglichkeit, weil die Internationalisierung im Profifußball voranschreitet und das Vorgeben einer Sprache nicht nur aus der Zeit gefallen scheint, sondern sich kontraproduktiv für ein Team mit vielen Nationalitäten erweisen könnte.

Sportsoziologe Alkemeyer: "Die Forderung von Hoeneß erscheint mir geradezu grotesk"

Diese Meinung jedenfalls vertritt der renommierte Sportsoziologe Thomas Alkemeyer, Professor an der Universität Oldenburg. „Die Forderung von Hoeneß erscheint mir geradezu grotesk“, sagt er. „Gerade der FC Bayern ist ein stark international agierendes Unternehmen, globaler als in der extraterritorialen Welt des Profifußballs auf diesem Niveau geht es kaum. Und in dieser Welt bedarf es keiner Vorschrift, Deutsch zu sprechen.“ Die „extraterritoriale Welt“, von der Alkemeyer spricht, bedeutet, dass der Profifußball sich außerhalb der gängigen gesellschaftlichen Grenzen bewegt. Profifußballer verdienen nicht nur Unmengen mehr als der Durchschnitt, sie wechseln auch häufiger ihre Arbeitgeber, das Land und oft auch den Kontinent ihres Arbeitgebers. Und tatsächlich ist der FC Bayern ein gutes Beispiel für diese extraterritoriale Welt.

Der Verein beschäftigt nicht nur viele ausländische Trainer und Spieler. Er will vor allem auf dem internationalen Markt mehr Fuß fassen. Bayern München versteht sich als Weltmarke des Fußballs. Deshalb haben die Münchner auch Büros in New York und Schanghai, um vermarktungstechnisch mit den Allergrößten, Real Madrid und Manchester United, mithalten zu können.

Nun ist Hoeneß’ Forderung nach mehr Deutsch in der Bayern-Kabine sicher auch als Versuch zu werten, den Markenkern des Klubs – das Heimelige und Familiäre – zu bewahren. Den Sportsoziologen Alkemeyer, der auch zu Themen wie Teambuilding geforscht hat, stören aber Duktus und Zeitpunkt des Interviews von Uli Hoeneß.

„Das ist eine Anbiederung an einen populistischen Diskurs, der stark aufs Nationale setzt, der Integration mit Anpassung gleichsetzt“, sagt der 61-Jährige und fügt noch hinzu: „An so manchem Stammtisch kommt das vielleicht gut an, es geht aber an der Realität des Profifußballs vorbei.“

Die Realität in der Bundesliga sieht jedenfalls so aus, dass die Vereine sehr unterschiedlich mit dem Thema umgehen. Manche Klubs, wie etwa der FSV Mainz 05, Eintracht Frankfurt oder der FC Ingolstadt, verlangen von ihren Spielern verpflichtend, Deutschunterricht zu nehmen. Andere, wie der FC Augsburg oder Borussia Dortmund, unterstützen ihre Spieler im Erlernen der deutschen Sprache, sie fordern es aber nicht ein.

Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC, legt großen Wert auf Deutsch als Umgangssprache in der Kabine und auf dem Platz. Der Ungar geht aber bisher nicht so weit, Geldstrafen für Sprachverweigerer einzufordern.

Für Alkemeyer wird die Deutschpflicht für Profifußballer überschätzt. Er sagt: „Es lässt sich auf dem Platz auf rudimentärer Ebene sehr gut verständigen.“ Und neben dem Platz reicht es ganz bestimmt für Spaghetti Bolognese.

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